Zwei Würfel mit H2O und CO2 © Adobe Stock/Fokussiert

Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet

Deutschland setzt große Hoffnungen auf Wasserstoff als Schlüsselelement bei der Weiterentwicklung der Energiewende. Dafür gibt es jetzt eine nationale Strategie.

Bis zuletzt wurde an ihr gearbeitet, jetzt ist sie endlich beschlossene Sache. Am 10. Juni 2020 hat das Bundeskabinett der Nationalen Wasserstoffstrategie zugestimmt und ebnet damit den Weg für 38 Maßnahmen, die Deutschland unter anderem eine internationale Vorreiterrolle bei der Entwicklung und dem Export von Wasserstofftechnologien sichern sollen.

"Wir müssen heute die Weichen dafür stellen, dass Deutschland bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt wird", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im Vorfeld.

Dank der vielen Verwendungsmöglichkeiten gilt Wasserstoff als wichtiges Schlüsselelement der Energiewende. Strom aus erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz bleiben auch in Zukunft die beiden zentralen Säulen der Energiewende. Nach dem Atomausstieg und dem geplanten Ausstieg aus der Kohleverstromung muss die Energiewende jetzt zusätzlich weiterentwickelt werden. Gasförmige und flüssige Energieträger sind in einem Industrieland wie Deutschland ein wichtiger Teil des Energiesystems und werden in einigen Bereichen der Industrie und des Verkehrs auch langfristig unverzichtbar bleiben. Vor dem Hintergrund steigender Klimaschutzambitionen braucht Deutschland für den Erfolg der Energiewende deshalb umweltfreundliche und langfristig verfügbare Alternativen zu fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas. Dafür müssen zuerst die Möglichkeiten der direkten erneuerbaren Stromversorgung und der Energieeffizienz in Deutschland ausgeschöpft werden. In bestimmten Bereichen sind diese jedoch begrenzt.

Mit klimafreundlich erzeugtem Wasserstoff können CO2-Emissionen in Bereichen, die nicht ohne flüssige oder gasförmige Energieträger auskommen, deutlich verringert werden. Wasserstoff kann zum Beispiel als Rohstoff in der Chemie- und Stahlindustrie oder als Treibstoff in Brennstoffzellen eingesetzt werden. Immer dann, wenn die direkte Anwendung von Strom aus erneuerbaren Quellen nicht möglich ist, kann Wasserstoff helfen. Über die Erzeugung von "grünem" Wasserstoff mit erneuerbarem Strom und Wasser (Elektrolyse-Verfahren) kann erneuerbare Energie außerdem gespeichert und transportiert werden.

38 Maßnahmen, die Deutschland eine internationale Vorreiterrolle sichern

Mit einer eigenen Wasserstoffstrategie verfolgt Deutschland mehrere Ziele: Wasserstofftechnologien und CO2-freie Energieträger sollen Schlüsselelemente der Energiewende werden, um die Treibhausgasemissionen in Bereichen zu senken, die sich nicht anders dekarbonisieren lassen und sie von fossilen Energieträgern unabhängig zu machen. Die Strategie soll inländische Märkte für die Erzeugung und Verwendung von Wasserstoff entwickeln, also einen sogenannten Markthochlauf ermöglichen. Damit dieser gelingen kann, verspricht die Strategie einen passenden Mix aus Investitionsförderung, Betriebskostenentlastung, energiepolitischen Rahmenbedingungen und CO2-Bepreisung. "Potentiale für Deutschland liegen entlang der gesamten Wertschöpfungskette", heißt es in der Strategie. Der Fokus liegt dabei auf Bereichen, die bereits nahe an der Wirtschaftlichkeit sind oder sich mit dem heutigen Stand der Technik nicht anders von fossilen Energieträgern lösen lassen (auch Dekarbonisierung genannt). Dazu zählen Industrie- und Verkehrsbereiche wie etwa die Luftfahrt, die Schifffahrt oder der Fernlastverkehr.

Mit solchen Maßnahmen sollen die Kosten bei der Entwicklung und Nutzung von Wasserstofftechnologien sinken, um globale Märkte für Wasserstoff zu schaffen. Die Wasserstoffstrategie kann damit auch die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen stärken. Forschung, Entwicklung und der Technologieexport sollen gefördert werden. Denn neben dem Klimaschutz geht es bei Wasserstofftechnologien auch um viele Arbeitsplätze und einen lohnenden globalen Markt. Wasserstoff und seine synthetischen Folgeprodukte werden künftig weltweit eine wichtige Rolle spielen. Gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedsstaaten und internationalen Partnern will Deutschland deshalb einen weltweiten Wasserstoffmarkt gestalten.

Umfangreiche Förderung für den Einsatz von Wasserstoff

Längst sind deutsche Unternehmen in diesem Bereich sehr innovativ und erfolgreich - etwa bei der Elektrolyse (mit der CO2-freier Wasserstoff gewonnen werden kann) oder bei der Entwicklung und Produktion von Brennstoffzellen. 445 Millionen Euro Fördermittel sollen für den Wasserstoffeinsatz in der Industrie bis 2024 zur Verfügung gestellt werden. Hinzu kommen die gerade im Rahmen eines umfassenden Konjunkturpaketes durch den Koalitionsausschuss beschlossenen neun Milliarden Euro. Zwei Milliarden Euro davon sind der "internationalen Dimension" von Wasserstoff gewidmet. Die restlichen sieben Milliarden sollen die gesamte Wertschöpfungskette von Wasserstoff stärken. Im Bereich Forschung und Entwicklung werden bis 2022 jährlich 100 Millionen Euro an Fördergeldern für die sogenannten Reallabore der Energiewende bereitgestellt, von denen viele an Wasserstofftechnologien forschen. Auch der BMWi-Ideenwettbewerb "Reallabore der Energiewende 2019" war vor allem den Wasserstofftechnologien gewidmet. Zusätzlich sollen weitere anwendungsnahe Forschungsprojekte, wie zum Beispiel das Projekt "Metha-Cycle" ausgebaut werden. Dort nimmt ein Forschungsteam derzeit ein neues System für den Umgang mit grünem Wasserstoff im Praxistest unter die Lupe.

Eines der wichtigsten Ziele der Wasserstoffstrategie aber ist es, die nationale Versorgung mit CO2-freiem (grünem) Wasserstoff zu entwickeln und zu sichern. Denn bisher ist seine Herstellung noch sehr teuer und nur in kleinerem Maßstab möglich. Noch fehlt die Infrastruktur, um den Wasserstoff ungefährlich in großem Maßstab über einen langen Zeitraum zu speichern, über weite Strecken zu transportieren und zu verteilen. Deutschland wird also bis auf Weiteres einen Großteil seines Bedarfs an CO2-freiem und CO2-neutralem Wasserstoff importieren müssen. (Wo die Unterschiede liegen, lesen Sie hier)

Fünf Gigawatt an Elektrolyseleistung für grünen Wasserstoff bis 2030

Bis 2030 wird von einem Wasserstoffbedarf von rund 90 bis 110 Terrawattstunden (TWh) ausgegangen. Um den Aufbau eines starken einheimischen Marktes zu fördern, sollen bis zum Jahr 2030 in Deutschland Erzeugungsanlagen für grünen Wasserstoff mit bis zu fünf Gigawatt (GW) Gesamtleistung entstehen, einschließlich der dafür erforderlichen Energiegewinnung auf See und an Land. Dieses ambitionierte Ziel entspricht einem zusätzlichen Strombedarf aus erneuerbaren Energien von 20 Terrawattstunden (TWh).

Um den verbleibenden Bedarf zu decken, braucht es vor allem in der EU verlässliche Partner für die Gewinnung und den Transport von Wasserstoff sowie Kooperationen und Importstrukturen. Das biete auch die Chance zum Ausbau des EU-weiten Energie-Binnenmarktes und zur Kooperation mit sonnen- und windreichen Entwicklungsländern (die ein großes Potential im Bereich erneuerbarer Energien haben) heißt es in der Nationalen Wasserstoffstrategie weiter. Von ihnen könnte Deutschland den wertvollen grünen Wasserstoff importieren, um die eigene Produktion aufzustocken. Auch die Gasinfrastruktur wird sich dafür wandeln müssen und ist Thema der Nationalen Wasserstoffstrategie.

Mit der Rolle gasförmiger Energieträger im Rahmen der Energiewende beschäftigt sich schon seit Ende 2018 auch der Dialogprozess Gas 2030. Im Oktober 2019 stellte Bundeswirtschaftsminister Altmaier erste Ergebnisse vor.

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