Frau fährt auf einer Vespa © Adobe Stock/Maridav

Wie viel Gas geben wir?

Mit der Bedeutung von Erdgas, Wasserstoff und Co im Energiemix der Zukunft befasst sich der neue Dialogprozess "Gas 2030".

Der Ausstieg aus der Kernenergie ist beschlossen, der Abschied von der Kohle eingeleitet. Die Energieversorgung der Zukunft soll klimafreundlich, sicher und bezahlbar sein. Doch welche Rolle spielen gasförmige Energieträger bei der Energiewende?

Gas lässt sich nicht so leicht fassen – auch nicht bei der Einordnung in konventionelle oder erneuerbare Energiequellen: Zum einen gibt es das fossile Erdgas, das bei der Verbrennung zwar CO2-Emissionen freisetzt, allerdings deutlich weniger als Kohle und Öl. Dann gibt es, zweitens, Biogas, das bei der Vergärung von Biomasse freigesetzt wird. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Methan (mehr zu Biomasse lesen Sie hier). Und drittens gibt es Gas, das sich aus erneuerbarem Strom erzeugen lässt. Dieses strombasierte Gas in Form von Wasserstoff oder synthetischem Methan kann die Sektorkopplung voranbringen, indem es zum Beispiel als Antrieb für Schiffe oder den Schwerlastverkehr genutzt wird und so erneuerbaren Strom in den Verkehrssektor bringt. Inwieweit sich strombasiertes Gas als Energiespeicher für das Stromnetz der Zukunft eignet, daran wird gerade intensiv geforscht (was wir weiter unten in diesem Artikel näher erläutern).

Experten nehmen Energieträger Gas unter die Lupe

Der neue, vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) initiierte Dialogprozess "Gas 2030" nimmt nun den vielfältigen Energieträger Gas näher unter die Lupe und erörtert seine mittel- und langfristigen Nutzungsperspektiven. Im Februar kamen Unternehmen und Verbände, Wissenschaftler und Vertreter verschiedener Politikressorts zum ersten Arbeitstreffen zusammen. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) begleitet den Prozess im Auftrag des BMWi. Bis September widmen sich die Experten relevanten Fragen wie:

• Welche Menge an gasförmigen Energieträgern wird mittel- und langfristig etwa benötigt?
• Wie kann dieser Bedarf gedeckt werden und welche Infrastruktur braucht es dafür?
• Welche Rolle können erneuerbare Gase zur Erreichung der Klimaziele in den Sektoren Wärme und Verkehr spielen?
• Wie lassen sich Wasserstoff und synthetisches Methan kostengünstig im industriellen Maßstab erzeugen und speichern?
• Was können wir von anderen Ländern, die auch erneuerbare Gase einsetzen, lernen?

Im Herbst soll der Ergebnisbericht zum Dialogprozess "Gas 2030" vorgelegt werden. Das BMWi wird daraus ableiten, wo politischer Handlungsbedarf besteht.

Gastherme im Keller: Vor allem zum Heizen nutzen wir Erdgas

Klar ist schon jetzt, dass Erdgas in den kommenden Jahren weiter einen wesentlichen Beitrag zur Energieversorgung in Deutschland leisten wird. Gas deckt heute knapp ein Viertel unseres Primärenergieverbrauchs. Vor allem im Wärmemarkt nutzen wir Erdgas. Mit einem Jahresverbrauch von rund 95 Milliarden Kubikmetern ist Deutschland einer der größten Absatzmärkte für Erdgas in der Europäischen Union. 44 Prozent des beim Beheizen von Gebäuden anfallenden Endenergieverbrauchs werden durch Gas abgedeckt.

Aus heimischer Produktion können wir nur sieben Prozent unseres Erdgasbedarfs decken. Den Rest beziehen wir via Pipelines vornehmlich aus Russland, Norwegen und den Niederlanden. Wegen der hohen Importabhängigkeit spielen die Instrumente zur Gasversorgungssicherheit eine zentrale Rolle. Deutschland verfügt über die viertgrößten Gasspeicherkapazitäten der Welt (mehr zur Versorgungssicherheit lesen Sie hier).

Autos, Lastwagen und Schiffe: Erdgas als klimafreundlicher Kraftstoff

Erdgas als Kraftstoff voranzubringen, ist eine Möglichkeit, die schädlichen Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren, denn Erdgasfahrzeuge stoßen deutlich weniger Partikel und Stickoxide als andere Verbrenner aus. Ende 2018 waren etwas mehr als 80.000 erdgasangetriebene Pkw auf Deutschlands Straßen unterwegs. Das entspricht laut Kraftfahrzeugbundesamt einem Anteil von 0,2 Prozent am gesamten Pkw-Bestand.

Der Schwerlastverkehr kann durch Erdgas oder Biomethan ebenfalls deutlich klimafreundlicher werden. LNG ist die Abkürzung für "Liquefied Natural Gas", also flüssiges Erdgas (mehr zu LNG als Kraftstoff für Lkw und Schiffe lesen Sie hier). Private Investoren erwägen, an drei Häfen in Deutschland LNG-Terminals zu bauen: in Brunsbüttel, Stade und Wilhelmshaven. Darüber soll Flüssigerdgas beispielsweise aus den USA importiert werden.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat vergangenen Monat eine deutsch-amerikanische Konferenz zur Entwicklung des LNG-Importmarktes veranstaltet und dabei ein Eckpunktepapier vorgelegt, um den schnellen Marktzugang von LNG in Deutschland zu ermöglichen. Dazu soll das Energiewirtschaftsrecht geändert werden: Die Fernleitungsnetzbetreiber sollen verpflichtet werden, die erforderlichen Leitungen zwischen den LNG-Terminals und dem Fernleitungsnetz zu errichten und die Terminals ans Netz anzuschließen.

Gaskraftwerke: Flexibilität für den Strommarkt

Im Strombereich erfüllt Erdgas derzeit eine wichtige Brückenfunktion beim Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien. Gaskraftwerke lassen sich flexibel hoch- und runterregeln und helfen so dabei, die schwankenden Einspeisemengen der erneuerbaren Energien aufzufangen. Das ist wichtig für die Versorgungssicherheit (mehr über Flexibilitätsoptionen erfahren Sie hier).

Strom aus Erneuerbaren kann künftig auch im Wärme- und Verkehrssektor vielfältiger zum Einsatz kommen. Dazu kann der Strom direkt in Wärmepumpen oder Elektro-Fahrzeugen eingesetzt werden. Darüber hinaus könnten aber auch die strombasierten Gase bei der Dekarbonisierung dieser Bereiche helfen. Bei der Power-to-Gas-Technologie wird Strom in Wasserstoff oder Methan umgewandelt, danach vor Ort genutzt oder ins Gasnetz eingespeist. So lässt sich der erneuerbare Strom als Brenn- oder Kraftstoff nutzen, für die spätere Verwendung speichern und gegebenenfalls in Strom zurückverwandeln. Die Umwandlung von Strom in Gas und zurück in Strom führt allerdings zu hohen Verlusten bei der ursprünglich eingesetzten Energie.

Nutzung von Wasserstoff: BMWi fördert Forschungsprojekte

Um Power-to-Gas voranzubringen, hat die Bundesregierung einen entsprechenden Schwerpunkt im aktuellen Energieforschungsprogramm gesetzt. Getestet werden soll, inwieweit sich die Technologie in den nächsten Jahren zum kosteneffizienten Einsatz bringen lässt. An einer Forschungsanlage im Gewerbepark Mainz-Hechtsheim erproben Unternehmen und Wissenschaftler beispielsweise die Speicherung schwankender Windenergie in Form von Wasserstoff. Sie untersuchen alle wesentlichen Bausteine, von der Erzeugung über die Speicherung bis zur Nutzung im industriellen Maßstab und koppeln diese mit neuartigen Technologiekomponenten. Das BMWi hat das finanziell unterstützt.

Mit dem neuen Ideenwettbewerb "Reallabore der Energiewende" sucht das BMWi weitere Projekte, die sich mit der strombasierten Erzeugung von Wasserstoff und anderen synthetischen Brenn- und Kraftstoffen im industriellen Maßstab beschäftigen und auch deren netzdienliche Speicherung in den Blick nehmen. Sie erhalten Fördermittel von bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr.

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