Woher der Wind weht
Im Tiefflug zieht das Forschungsflugzeug seine Runden über die Deutsche Bucht.
Unter ihm drehen sich die Windräder hunderter Windenergieanlagen. Die Wissenschaftler an Bord haben mittels spezieller Messtechnik ein Auge auf die Windströme, die durch die Anlagen vor und nach den Windparks entstehen. Denn diese verändern die Windverhältnisse in der Bucht und sorgen für ordentlich Wirbel. Das hat auch Auswirkungen auf den weiteren Ausbau der Windenergie auf See - etwa, wenn es um die perfekte Position und Ausrichtung neuer Turbinen geht. Im Rahmen des Ende 2019 gestarteten Forschungsprojektes X-Wakes wollen die Forscher-Teams deshalb möglichst genau voraussagen, wie sich die Windbedingungen in der Deutschen Bucht verändern, wenn Offshore-Windparks großflächig ausgebaut werden. Denn mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien zur Energieversorgung wird auch die Windernte auf See immer wichtiger. Hier weht der Wind steter und gleichmäßiger als an Land. Allein in der deutschen Wirtschaftszone der Nordsee sind bis zum Ende des Jahres 2020 mehr als 1.200 Windenergieanlagen in Betrieb genommen worden.
Die deutsche Bucht liegt auf dem europäischen Kontinentalschelf und reicht von den Westfriesischen Inseln (Niederlande) über die Ostfriesischen und Nordfriesischen Inseln (Deutschland) bis an die dänischen Wattenmeer-Inseln vor Jütland (Dänemark). Einen Überblick über die Windparks in der deutschen Wirtschaftszone gibt es hier.
X-Wakes soll Windparks zur optimalen Windernte verhelfen
Mit den Forschungsergebnissen aus X-Wakes sollen im Bau befindliche Windparks optimiert und zukünftige Projekte besser geplant werden. Denn nicht überall in der Bucht kann auch ein Windpark stehen. Der Platz ist begrenzt, deshalb werden die Windparks meist in Gruppen, sogenannten Windparkclustern, gebaut. Sie können aus mehreren Hundert nicht weit voneinander entfernten Windenergieanlagen bestehen, die sich gegenseitig im Windstrom beeinflussen. Im Windschatten hinter den Anlagen entstehen zum Beispiel sogenannte "Nachlaufströmungen". In ihnen ist die Windgeschwindigkeit zwar nicht groß, dafür gibt es Turbulenzen, die die Anlagen aushalten müssen. Bis zu 50 Kilometer weit können solche Nachlaufströmungen die Windverhältnisse beeinflussen. In Zukunft sollen die Windenergieanlagen passend dazu positioniert und optimiert werden. So reduzieren sich die negativen Effekte der Nachlaufströmungen, was höhere Erträge bringt.
Umfassende Forschung: Vom Tiefflug überm Meer bis zum Blick aus dem All
Für ihre Untersuchungen nutzen die Wissenschaftler verschiedene Methoden. Das Forschungsflugzeug liefert zum Beispiel gezielt immer wieder neue hochaufgelöste meteorologische Daten, während feste Messeinrichtungen auf den Windenergieanlagen oder auf Konverter-Stationen kontinuierlich ganze Datenozeane an Forschungsstoff liefern. Mit Hilfe von Satellitendaten lassen sich die Nachlaufströmungen von hoch oben auch großflächig analysieren. "Mit den Messergebnissen wollen wir unsere Computermodelle weiterentwickeln, um mit ihnen die Erträge der Windparks für künftige Ausbauszenarien unter realistischen Bedingungen vorhersagen zu können", sagt Dr. Martin Dörenkämper vom Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES).
Gemeinsam zu neuem Wissen: Ein Projekt, viele Partner
Neben dem Fraunhofer-Institut und der Technischen Universität Braunschweig sind noch fünf weitere Forschungspartner an X-Wakes beteiligt: das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Universität Oldenburg mit dem Zentrum für Windenergieforschung (ForWind), die Universität Tübingen, das Helmholtz-Zentrum Geesthacht sowie die UL International GmbH.
Unterstützt wird das Projekt außerdem durch Partner wie Vattenfall, RWE Renewables, EnBW, Ørsted, Merkur Offshore, Trianel Nordsee One und Tennet TSO, die Windparkdaten und den Zugang zu ihrer Offshore-Infrastruktur zur Verfügung stellen. Auch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) steht den Forschern beratend zur Seite. X-Wakes wird über einen Zeitraum von drei Jahren mit insgesamt 3,4 Millionen Euro vom BMWi gefördert.