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Illustration: Erneuerbare Energien, Fabrikgebäude und Wohnhaus unter einer Lupe © BMWi

Was ist eigentlich ein Netzbooster?

Was unser zukünftiges Stromnetz mit einer Raumfähre und einer E-Gitarre gemeinsam hat? Es soll Booster für mehr Power nutzen. Solche Kraftschübe können helfen, Engpässe im Stromnetz zu vermeiden und Kosten zu sparen. Einen ordentlichen Informationsschub gibt es hier.

Darum geht´s: Große Batteriespeicher sollen das Stromnetz im Fehlerfall in Sekundenschnelle entlasten. An strategisch günstigen Netzknotenpunkten können sie überschüssigen Strom aufnehmen - und wieder abgeben. Mit Pilotanlagen soll das nun erstmals erprobt werden.

Damit die E-Gitarre beim Rockkonzert auch bis in die letzte Reihe zu hören ist, verfügt sie über einen Leistungsverstärker, einen sogenannten Booster. In der Raumfahrt versteht man unter einem Booster dagegen ein zusätzliches Triebwerk, das für ordentlich Power sorgt. Was aber ist ein Netzbooster? Ein "boost" (engl.), also ein Verstärker in Form von großen Batteriespeichern, soll dem Stromnetz der Zukunft einen ordentlichen Kraftschub bescheren.

Über große Distanzen bis in jede Steckdose

Nötig wird das, weil immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien vom windreichen Norden in den verbrauchsstarken Süden und Westen Deutschlands transportiert werden muss. Zusätzlich beansprucht der grenzübergreifende Stromhandel immer mehr Kapazitäten der Übertragungsnetze. Damit unser Stromnetz diese gestiegene Transportaufgabe bewältigen kann, wird das Übertragungsnetz stetig ausgebaut und verstärkt. Tausende Kilometer neuer Leitungen werden in den nächsten Jahren entstehen. Ergänzend sollen die bestehenden Leitungen durch eine stärkere Digitalisierung und den Einsatz neuer Technologien noch besser ausgenutzt werden und möglichst viel Energie transportieren. Deshalb hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) mit dem Ende Dezember 2019 bestätigten Netzentwicklungsplan (NEP) erstmals auch zwei innovative Pilotanlagen für Netzbooster genehmigt.

Netzbooster-Testphase im großen Stil

Mit dem Netzentwicklungsplan untersuchen die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) alle zwei Jahre den Netzausbaubedarf anhand verschiedener Szenarien. Mit den beiden im Netzentwicklungsplan 2019 bestätigten Pilotanlagen, die zusammen über eine Leistung von 350 Megawatt (MW) verfügen, soll das Netzbooster-Konzept erprobt werden - im großen Stil. Allein der geplante Batteriespeicher im baden-württembergischen Kupferzell wird mit seinen 250 MW mehr als doppelt so leistungsstark sein, wie der von Tesla 2017 fertiggestellte Batteriespeicher im australischen Adelaide. Mit 100 MW galt dieser bisher als der größte der Welt. Frühestens nach Ende der Pilotphase könnten die Netzbooster flächendeckend zum Einsatz kommen. Zunächst müssen sie zeigen, was sie können. Die Mission: Die Netzbooster sollen helfen, bestehende Leitungen im Normalbetrieb besser auszulasten, indem sie in Sekundenschnelle eingreifen, sobald Netzfehler auftreten. Netzbooster können damit den auch über 2030 nötigen Netzausbau zwar nicht ersetzen, wären aber eine flexible Ergänzung, durch die Kosten für teure Redispatch-Maßnahmen eingespart werden könnten. Bewähren sich die Pilotanlagen, sind zukünftig statt zentralen Großspeichern auch andere technische Lösungen denkbar. Zum Beispiel viele kleine dezentrale Speicher oder auch sogenannte flexible Lasten.

Schnelle Eingreiftruppe: Netzbooster reagieren erst im Fehlerfall

Und so funktionieren Netzbooster: Seit Jahren müssen die Übertragungsnetzbetreiber immer häufiger in den Netzbetrieb eingreifen, wenn besonders viel Energie von Norden nach Süden transportiert werden soll und deshalb die Überlastung einzelner Leitungen droht. Dazu werden Strom erzeugende Anlagen, die vor dem Engpass liegen, heruntergeregelt, während Kraftwerke hinter dem Engpass im gleichen Umfang ihre Einspeiseleistung erhöhen. Solche präventiven Redispatch-Maßnahmen sind teuer. Netzbooster könnten den Redispatch-Bedarf und die damit verbundenen Kosten senken.

Sie greifen erst ein, wenn schon ein Fehler vorliegt, funktionieren also reaktiv. Techniker nennen das den n-1-Fall. Tritt er ein, ist schnelles Handeln gefragt. Netzbooster können im Gegensatz zu konventionellen Kraftwerken innerhalb von wenigen Sekunden einspringen. Sie nutzen regelbare Lasten (zum Beispiel einen regelbaren Verbraucher) vor dem Netzengpass in Verbindung mit einer schnell aktivierbaren Energiequelle (zum Beispiel eine große Batterie) hinter dem Engpass. Die regelbare Last nimmt den vor dem Engpass ankommenden Strom auf, der nicht mehr weiter transportiert werden kann. Die Batterie versorgt die Verbraucher hinter dem Engpass innerhalb weniger Sekunden mit Energie. Die Netzbooster können so die Zeit überbrücken, bis konventionelle Kraftwerke übernehmen können. Bisher wird ein Teil der im Übertragungsnetz zur Verfügung stehenden Transportkapazität als Sicherheitsreserve für den Fehlerfall vorgehalten und bleibt so ungenutzt. Durch die schnelle Reaktionszeit der Netzbooster könnte diese Reserve künftig anteilig für den Stromtransport genutzt werden.

Begleitet wird der vom BMWi geförderte Netzbooster-Pilotbetrieb durch das Forschungsprojekt "InnoSys 2030". Netzbetreiber, Hersteller von Komponenten und Wissenschaftler untersuchen hier drei Jahre lang innovative Ansätze zur Steuerung der Stromnetze - darunter auch den Netzbooster.

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