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Energiewende digital

Smart Grids, Smart Meter und Smart-Home-Lösungen: Das BMWi stellt die Weichen

Vor den Ostertagen zog Orkan "Niklas" übers Land und ließ die Einspeisung aus Windenergieanlagen in neue Rekordhöhen klettern. Gut zehn Tage vorher hatte die Sonnenfinsternis den Beitrag der Solaranlagen zur Stromerzeugung in kurzer Zeit stark schwanken lassen. Zwei Extremsituationen, die deutlich zeigen: Der Ertrag aus erneuerbaren Energien ist naturgemäß unstet. Soll unser Energiesystem fit für die Zukunft werden, muss es sich dieser Herausforderung stellen. Dafür ist mehr und mehr Köpfchen gefragt, auch von der Infrastruktur. Ob die Solaranlage hohe Erträge an die Waschmaschine meldet oder die industrielle Druckluftanlage erst anspringt, wenn wegen Überangebot im Netz die flexiblen Tarife sinken: Digitale Technologien bieten hier neue Chancen und Möglichkeiten. Und die Energiewende ist der Treiber der Digitalisierung im Energiesektor.

Welchen neuen Anforderungen muss sich die Infrastruktur stellen?

Das zeigt das Beispiel der Verteilernetze, an die vom Ein-Personen-Haushalt bis hin zum industriellen Großbetrieb jeder Stromabnehmer in Deutschland angeschlossen ist. Mit der Energiewende sind die Anforderungen an diese Netze gewachsen: Verteilten sie einst nur den Strom von den Kraftwerken aus in die Fläche, speisen mittlerweile auch 80 Prozent der Erneuerbare-Energie-Anlagen wie Solarmodule oder Windparks ihre Leistung dezentral "von unten" ein. Die Netze sind also keine Einbahnstraßen mehr, sondern müssen auch Strom "in Gegenrichtung" abtransportieren. In Zukunft sollen die Netze zudem den schwankenden Ertrag aus erneuerbaren Energien und den bedarfsabhängigen Stromverbrauch ausbalancieren. Vermehrt werden Speicher und Elektroauto-Akkus integriert, die je nach Anforderung Strom sowohl abnehmen als auch bereitstellen können. Damit das zuverlässig und effizient klappt, müssen die Netze intelligent werden – dann heißen sie "Smart Grids".

Miteinander statt nebeneinander – dank digitaler Technologien

Im "Smart Grid" kommunizieren die Bausteine des Energiesystems miteinander, von der Erzeugung über den Transport, die Speicherung und Verteilung bis hin zum Verbrauch. Die Photovoltaikanlage, das Elektroauto oder die Raumluftanlage eines Industriebetriebs werden nicht nur einfach angeschlossen, sondern selbst zu Bestandteilen des integrierten Daten- und Energienetzes – nach dem "Plug & Play"-Prinzip ganz ohne die aufwändige Installation von Treibern und Programmen. Über digitale Schnittstellen können sie reibungslos Informationen austauschen. Möglich wird so eine grundlegende Verschiebung von der "verbrauchsorientierten Stromerzeugung" hin zum "erzeugungsoptimierten Verbrauch" mit intelligenten und flexiblen Abnehmern: Nicht nur das Angebot richtet sich nach der Nachfrage, sondern auch die Nachfrage passt sich an das Angebot an.

Hannover Messe: Industrie 4.0 und Energiewende

Die Frage, wie wir in Deutschland künftig leben, arbeiten und produzieren, werde maßgeblich vom Prozess der Digitalisierung geprägt, sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf der Hannover Messe 2015. Die Verzahnung von Menschen, Maschinen und industriellen Prozessen durch digitale Technologien – kurz: die "Industrie 4.0" – stand dort in der vergangenen Woche im Mittelpunkt. "Ohne die Industrie 4.0 wird auch die Energiewende nicht zu bewältigen sein", so der Bundesminister.

Die Unternehmen der Elektro- und Informationstechnik sehen die Energiewende entsprechend als Chance: Eine aktuelle Umfrage des VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) unter seinen Mitgliedsunternehmen zeigt, dass für sechs von zehn Befragten die Energiewende mit den Themen "Smart Grids" und Energieeffizienz die größten Standortpotenziale bietet. Und auch die Unternehmen der Energiebranche haben die Bedeutung der Digitalisierung längst erkannt. So nannte Hildegard Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), die Energiewirtschaft bei der Hannover Messe letzte Woche die "Schaltzentrale der Digitalisierung". "Die Energiewirtschaft setzt die Digitalisierung bereits um", sagte sie. Die Energieunternehmen würden die digitale Vernetzung durch ihren Einfluss quer über alle Sparten und Wertschöpfungsstufen ganz wesentlich mitgestalten.

Smart Meter statt Stromzähler: Sorgfalt muss vor Eile gehen

Dabei geht es nicht nur um die Integration erneuerbarer Energien in intelligente Netze: Auch bei der zweiten Säule der Energiewende, der Steigerung der Energieeffizienz, spielen digitale Technologien eine wichtige Rolle. So verwandeln Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zum Beispiel alt bekannte Stromzähler in intelligente Messsysteme ("Smart Meter"): Diese messen nicht nur den Stromverbrauch oder die eingespeiste Strommenge für die nächste Abrechnung. Sie liefern den Netzbetreibern auch wichtige Informationen, damit diese Erzeugung, Netzbelastung und Verbrauch zeitgenau und weitgehend automatisiert aufeinander abstimmen können. Im Haushalt machen sie transparent, wann und wo wie viel Strom verbraucht wird – und motivieren dazu, effizient mit Energie umzugehen. Anwendungen für das vernetzte Zuhause, das sogenannte "Smart Home", in dem sich etwa Klima- und Heizungssysteme selbständig regeln und ihren Energiebedarf optimieren, sind direkt anschlussfähig. Schließlich können die "Smart Meter" auch den Wettbewerb im Strombereich beflügeln. Denn nur wenn sich der Stromverbrauch differenziert messen und abrechnen lässt, lohnt es sich für Anbieter, ihre Produktpalette spezifischer und individueller zu gestalten und variable Tarife anzubieten. So können digitale Technologien helfen, den Bedarf an teurem Strom in Spitzenlastzeiten zu verringern, die Netze zu entlasten und die hohe Versorgungssicherheit zu erhalten.

Diese Anwendungen bedeuten allerdings auch: Der Datenverkehr steigt. Statt Jahresmessungen werden teilweise Messungen im Viertelstundentakt auf der Tagesordnung stehen. In punkto Datenschutz und Datensicherheit müssen die Anforderungen an die technische Grundausstattung also hoch sein – bei der Entwicklung dieser Technologie und bei der Entscheidung, wo sie verpflichtend einzusetzen ist, muss Sorgfalt vor Eile gehen.

In Deutschland dürfen zukünftig nur solche "Smart Meter" eingesetzt werden, die den Schutzprofilen und Technischen Richtlinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) entsprechen. So werden IT-Sicherheit und der Schutz vor Hacker-Angriffen gewährleistet. Erste Zähler und Messsysteme durchlaufen bereits das Zertifizierungsverfahren beim BSI.

Solange BSI-geprüfte Systeme noch nicht erhältlich sind, darf der jeweils aktuelle Stand der Technik eingebaut werden – also alle auf dem Markt verfügbaren "Smart Meter". Durch diese Übergangslösung können in Pilotprojekten wichtige Erfahrungen mit automatisierten Systemen gesammelt werden. Bestandsschutzregelungen helfen, Fehlinvestitionen zu vermeiden. Einbauverpflichtungen wird es aber natürlich nur mit BSI-geprüfter Technik geben.

Wie das BMWi die intelligente Energieversorgung fördert

In Deutschland wurden "Smart-Grids"-Aktivitäten unter dem Dach der Förderinitiative der Bundesregierung "E-Energy – IKT-basiertes Energiesystem der Zukunft" gebündelt, die bis zum Jahr 2013 den Nutzen von Informationstechnologien im Energiebereich erforscht und erprobt hat (Fördervolumen: 60 Millionen Euro). Wie "Smart Grids" auch großflächig funktionieren und zu einer klimafreundlichen, sicheren und effizienten Energieversorgung auch bei zeitweise 100 Prozent erneuerbarer Energie beitragen, soll der neue Förderwettbewerb "Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende" (SINTEG) zeigen, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Februar gestartet hat (Fördervolumen: 80 Millionen Euro). Er ist Teil des Maßnahmenpakets "Innovative Digitalisierung der Deutschen Wirtschaft" und damit ein wichtiger Baustein zur Umsetzung der Digitalen Agenda.

Innovationen für das intelligente und effiziente "Smart Home" fördert das BMWi wiederum über das im Sommer 2014 gestartete Technologieprogramm "Autonomik für Industrie 4.0". Einen Ausblick auf die Ausgestaltung verbindlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für den Einsatz moderner Mess- und Steuerungstechnik enthalten die Eckpunkte des Verordnungspakets "Intelligente Netze", die das BMWi im Februar veröffentlicht hat.

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