Sonne tanken
Täglich heben rund um den Globus unzählige Flugzeuge mit Passagieren oder Fracht an Bord ab. Im Tank Tausende von Litern Kerosin, vorwiegend aus fossilem Rohöl. Das hat Folgen für das Klima: Fachleute schätzen, dass etwa zwei bis drei Prozent des schädlichen CO2-Ausstoßes heutzutage durch den Flugverkehr verursacht werden.
Ein möglicher Hoffnungsstreifen am Horizont fußt im nordrhein-westfälischen Ort Jülich. Im Dreieck zwischen Köln, Düsseldorf und Aachen hat das Unternehmen Synhelion seine Pilotanlage namens „Dawn“ eingeweiht. „Nach vielen Jahren Forschungsarbeiten mit unseren Partnern im Labor und auf Testgeländen produzieren wir hier erstmals aus Wasser und Kohlenstoff und jeder Menge Sonnenenergie nachhaltige Treibstoffe in größeren Mengen, vorwiegend für die Luftfahrt“, berichtet Patrick Hilger, Geschäftsführer von Synhelion Germany GmbH. Unterstützt wurde und wird die Entwicklung unter anderem durch das Forschungsvorhaben SolarFuels, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Energieforschungsprogramms gefördert wird.
Mehrstufige Produktionskette demonstriert
Das Expertenteam von Synhelion plant einige tausend Liter synthetischen Treibstoff in ihrer industriellen Demonstrationsanlage in Jülich herzustellen. Das klingt nach viel. Ein gängiges Flugzeug der A320-Familie kommt damit allerdings nicht weit: Durchschnittlich benötigen diese Flugzeugmodelle 2.700 Liter pro Stunde, was einem Kraftstoffverbrauch von ca. 1,9 Liter pro Sitzplatz auf 100 km (A320neo) entspricht. Doch der erste wichtige Schritt von der Literflasche in die Mengenproduktion ist getan. „Mit Dawn zeigen wir, dass unsere Sun-to-Liquid-Technologie in industriellem Maßstab, also mit der Produktion von größeren Mengen funktioniert und nun bereit für die Skalierung ist“, erläutert Hilger. Dawn ermöglicht zudem, das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten im Gesamtsystem zu testen, Betriebserfahrungen zu sammeln und die Anwendungsfälle in den verschiedenen Verkehrssektoren aufzuzeigen.
Als nächster Meilenstein steht ab 2025 der Bau einer kommerziellen Produktionsanlage in Spanien an. Die geplante Produktionsmenge von über einer Million Liter Solartreibstoff pro Jahr hat die SWISS Fluggesellschaft, eine Tochter der Lufthansa Group, bereits geordert.
Sonnenlicht liefert die Energie für den Herstellungsprozess
Um den Solartreibstoff herzustellen, nutzen die Expertinnen und Experten die Sonne als regenerative Energiequelle. Wenn sie scheint, wird ihre Strahlung von über 200 verstellbaren Spiegeln eingefangen und auf das obere Ende des Solarturms punktgenau reflektiert. Dort befindet sich ein Solarstrahlungsempfänger, ein sogenannter Receiver. Dieser wandelt die konzentrierte Sonnenstrahlung in sehr hohe Temperaturen von über 1.000 Grad Celsius um. So entsteht wichtige Prozesswärme, die für den thermochemischen Prozess notwendig ist, bei dem aus Kohlenstoff und Wasser synthetisches Rohöl entsteht. Ein thermischer Energiespeicher im Turm sorgt zudem dafür, dass der Solartreibstoff rund um die Uhr produziert werden kann.
Solartreibstoff ist kompatibel zu gängigen Flugzeugmotoren
Nachhaltig erzeugte Flugkraftstoffe, zu denen auch solare Kraftstoffe zählen, sind die klimafreundlichste Lösung für Langstreckenflüge und die Bestandsflotte. Elektrifizieren lässt sich der Verkehr am Himmel in absehbarer Zukunft nicht. Die notwendigen Batterien wären viel zu schwer. Ein weiterer Vorteil der nachhaltig erzeugten Flugkraftstoffe: Die bestehenden Vertriebsnetze, Raffinerien und Flugzeugantriebe können weiter genutzt werden.