Wie funktioniert ein Windpark auf See?
Darum geht’s: Vor den Küsten von Nord- und Ostsee produzieren Offshore-Windparks grünen Strom für Millionen von Menschen.
Noch bevor das Wort „Energiewende“ im Duden zu finden war, entstand vor der dänischen Insel Lolland 1991 der erste Offshore-Windpark der Welt. Der erste Offshore-Windpark unter Hochseebedingungen ging mit „alpha ventus“ erst fast 20 Jahre später in Betrieb - im Jahr 2010 etwa 60 Kilometer vor der deutschen Nordseeküste. Auch heute steht die Nordsee besonders im Fokus, wenn es um die Zukunft der Windenergie vor unseren Küsten geht: Auf dem Windgipfel am 18. Mai im dänischen Esbjerg haben die Nordseeanrainerstaaten Dänemark, Belgien, Deutschland und die Niederlande beschlossen, den Ausbau der Offshore-Windenergie massiv gemeinsam zu beschleunigen - auch, um unabhängiger von Energieimporten wie denen aus Russland zu werden. Die Nordsee soll nach den Worten von Bundesminister Habeck zum „grünen Kraftwerk für ganz Europa“ werden. Bis 2050 könnte sie zehn Mal mehr Erzeugungskapazitäten beherbergen als heute. Deutschland will seine Kapazitäten bis 2030 auf mindestens 30 Gigawatt steigern. 2045 sollen es dann 70 Gigawatt sein. Mehr dazu lesen Sie hier.
Meer, soweit das Auge reicht
Doch wie funktioniert so ein Offshore-Windpark eigentlich? Meer, soweit das Auge reicht: Auf den ersten Blick scheint in Nord- und Ostsee beliebig viel Platz für den Bau von Offshore-Windparks zu sein. Doch längst nicht jede Seemeile eignet sich dafür. Viele Flächen kommen aus Gründen des Natur- und Artenschutzes oder wegen anderweitiger Nutzungsansprüche wie Schifffahrt, Fischerei oder militärischer Nutzung nicht in Frage. Die geeigneten Gebiete werden deshalb im Zuge der maritimen Raumordnung sowie einer gesonderten Fachplanung für die Windenergie auf See (des sogenannten Flächenentwicklungsplanes des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie) ausgewiesen. Diese Planung stellt sicher, dass die begrenzten Flächen möglichst effizient genutzt werden und dass die Offshore-Windparks und Offshore-Netzanbindungen zum Transport des Stroms an Land im Gleichlauf in Betrieb gehen.
Fast alle deutschen Offshore-Windenergie-Projekte stehen weit vor der Küste in der sogenannten „ausschließlichen Wirtschaftszone“ (jenseits des Küstenmeeres, das an der 12-Seemeilen-Grenze endet) in 40 Metern Wassertiefe und mehr. Die technischen Anforderungen, etwa an die Fundamente, die Kabelverlegung und die Wartung, sind entsprechend hoch. Um die Genehmigungsprozesse von Offshore-Windparks möglichst effizient und zügig zu organisieren, dient das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg den Betreibern als zentraler Ansprechpartner.
Wind ist die Grundlage für alles
Auf hoher See weht der Wind deutlich konstanter als an Land, fordert aber auch weit mehr Haltungsvermögen von den Windenergieanlagen. Denn anders als bei Windenergieanlagen auf dem Festland liegt ein großer Teil der Meeresriesen unter der Oberfläche und ist damit nicht nur dem starken Seewind, sondern auch Strömungen, Wellen und Gezeiten ausgesetzt.
Bereits heute werden Anlagen mit elf Megawatt (MW) Kapazität installiert und im Laufe dieses Jahrzehnts wird mit Anlagen von 15 MW und sogar bis zu 20 MW Kapazität gerechnet. Die Gesamtleistung von Offshore-Windparks liegt entsprechend bei mehreren hundert Megawatt und wird künftig meist die 1-Gigawatt-Grenze überschreiten.
Für die Installation von Offshore-Windparks sind deshalb sehr große Schiffe erforderlich. Die Anlagen werden so weit wie möglich an Land vormontiert, um aufwendige und kostspielige Arbeiten bei Wind und Wellengang auf hoher See zu vermeiden. Einmal fertig installiert, kann das Herz des Windparks zu schlagen beginnen, und das arbeitet ganz oben in luftiger Höhe.
Der Wind über dem Meer setzt die riesigen Rotorblätter in Bewegung. In der Generator-Gondel wird diese Bewegung in Energie umgewandelt, und zwar so: Der Rotor dreht die Hauptwelle und ein Getriebe überträgt die Drehbewegung auf eine schnell rotierende Hochgeschwindigkeitswelle. An dieser Welle ist ein Magnet befestigt, der im Inneren des Generators zwischen Spulen aus leitfähigem Draht rotiert. Dabei entsteht Elektrizität.
Der Standort im Meer entscheidet über die Form der Weiterleitung
Der in den Turbinen des Windparks erzeugte Strom wird in eine Offshore-Konverter-Station eingespeist, die ihn über Hochspannungskabel als Gleichstrom an Land transportiert. Durch die Übertagung als Gleichstrom werden Übertragungsverluste minimiert. Da Offshore-Windenergieanlagen inzwischen auch Gleichstrom auf 66-kV-Spannungsebene erzeugen können, konnte der Bau von parkeigenen Umspannwerken, die den Strom zunächst sammeln und auf eine höhere Spannungsebene transformieren, eingespart werden. Hat er einmal festen Boden unter der Leitung, wird der Strom vom Meer in einem Umspannwerk in Wechselstrom umgewandelt, auf die richtige Spannung gebracht und in das öffentliche Netz eingespeist.
Steht ein Windpark unweit der Küste, übernimmt ein Seekabel die Weiterleitung des Stroms zum nächsten Netzknotenpunkt an Land. Die Elektrizität wird hier über Wechselstromleitungen und mit niedrigerer Spannung (220 kV) übertragen. Das ist zum Beispiel bei allen Offshore-Windparks in der Ostsee der Fall, da die Ostsee-Parks näher an der Küste gebaut sind.
So schwer wie 1.000 Mittelklassewagen
Die Dimensionen von Offshore-Windanlagen sind gigantisch. Mehr als 1.000 Tonnen und damit so viel wie 1.000 Mittelklassewagen können einzelne Anlagen auf die Waage bringen. Sie thronen auf bis zu 900 Tonnen schweren Fundamenten, den sogenannten Gründungen, die sicher im Meeresboden verankert sind. Allein die Gondel einer Offshore-Anlage kann zwischen 300 und 400 Tonnen wiegen. Der Rotordurchmesser moderner Anlagen erreicht 200 Meter und mehr. Das entspricht mehr als der doppelten Spannweite eines Airbus A380.
Dimensionen, die sich lohnen, denn die Kosten für die Stromerzeugung aus Offshore-Windenergie sind in den vergangenen Jahren unter anderem durch die gesammelten Erfahrungen rapide gesunken – etwa die Kosten für Installation und Wartung. Gleichzeitig hat sich der Energieertrag der Anlagen vervielfacht, ohne dass ihre Gesamtkosten im gleichen Ausmaß gestiegen wären.