Voller Energie - die deutsche EU-Ratspräsidentschaft
Am 1. Juli 2020 hat Deutschland für ein halbes Jahr den Vorsitz im Rat der Europäischen Union (EU) übernommen. In dieser Zeit wird Deutschland die Sitzungen des Rates und seiner vorbereitenden Ausschüsse und Arbeitsgruppen leiten und den Rat gegenüber anderen Organen der EU, zum Beispiel bei den Verhandlungen über EU-Gesetzgebungsakte mit dem Europäischem Parlament und der EU-Kommission, sowie gegenüber Drittstaaten und internationalen Organisationen vertreten. Der Rat der EU tagt je nach Themenbereich in unterschiedlicher Zusammensetzung. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier wird in fünf solchen Ratsformationen den Vorsitz haben: im Rat für Wettbewerbsfähigkeit, im Energierat, im Telekommunikationsrat, im Handelsrat und im Kohäsionsrat. Im Bereich Energie ist der Rat unter anderem dafür zuständig, gemeinsam mit dem Europäischen Parlament Rechtsvorschriften über die Funktionsweise der Energiemärkte zur Gewährleistung einer gesicherten Energieversorgung, zur Förderung von Energieeffizienz und neuen und erneuerbaren Energiequellen zu erlassen. Ein Beispiel dafür aus den vergangenen Jahren ist das EU-Legislativpaket "Saubere Energie für alle Europäer".
Der Ratsvorsitz wechselt alle sechs Monate zwischen den 27 Mitgliedstaaten. Nach Deutschland wird Portugal im ersten Halbjahr 2021 und anschließend Slowenien im zweiten Halbjahr 2021 die EU-Ratspräsidentschaft innehaben. Als Trio wollen die Länder unter anderem die Energiepolitik in Europa weiter voranbringen und durch eine enge Zusammenarbeit für mehr Kontinuität sorgen. Die Schwerpunkte der achtzehnmonatigen Triopräsidentschaft sind im sogenannten "Trioprogramm" festgelegt.
COVID-19-Pandemie im Mittelpunkt der Ratspräsidentschaft
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft wird von den Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie geprägt sein. Im Mittelpunkt steht die Bewältigung ihrer gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen in ganz Europa. Das vermittelt auch das Motto für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft "Gemeinsam. Europa wieder stark machen". Das BMWi möchte die Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschaft dauerhaft stärken. Die dafür gesetzten Schwerpunkte in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit, Kohäsion, Handel, Digitales und Energie nennt das Arbeitsprogramm des BMWi. Dazu zählen die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Europa, der Erhalt offener Märkte, die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen, die Stärkung der digitalen Souveränität der EU sowie die Gestaltung des Strukturwandels. Die Wirtschaft soll mit klarem Zukunftskurs und dem Ziel einer "Clean Economy" aus der Krise geführt und die wirtschaftlichen Chancen des Europäischen Grünen Deals genutzt werden. Mit ihm will Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden. 2020 und 2021 sollen dazu von der EU-Kommission rund 50 Maßnahmen vorgestellt werden. Der Grüne Deal ist eines der wichtigsten politischen Vorhaben der neuen EU-Kommission. Deutschland will dafür sorgen, dass er auch dafür genutzt wird, um das aus der Krise hervorgehende Europa noch innovativer, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger zu gestalten.
Altmaier: "Wir wollen, dass der Green Deal funktioniert"
Bundeswirtschaftsminister Altmaier betonte bei der Vorstellung des Präsidentschaftsprogrammes, dass für eine wettbewerbsfähigere EU neben einer EU-Industriestrategie, einem modernisierten Wettbewerbsrecht, Bürokratieabbau, und einem Fokus auf Digitalisierung auch Investitionen in Zukunftstechnologien - vor allem in innovative Energie- und Klimaschutztechnologien - deutlich vorangetrieben werden müssten. "Wir wollen die klimapolitischen Ziele der Europäischen Union erreichen und wir wollen, dass der Green Deal funktioniert", sagte Altmaier. Deshalb müsse der Green Deal ergänzt werden durch sauberes Wirtschaftswachstum (engl. "Clean Economy"). Dazu, so der Minister, seien mehr Innovationen aber auch mehr finanzielle Anreize für die Nutzung klimafreundlicher Technologien notwendig. "Wir müssen uns um neue Zukunftstechnologien kümmern, wie beispielsweise Wasserstoff". Gelingen könne das nur, wenn der Weg in eine klimaneutrale Wirtschaft vereinbar ist mit dem Erhalt der globalen Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten.
Dazu braucht es die bestmöglichen Rahmenbedingungen, betonte der Minister. Mehr Raum für Innovationen soll geschaffen werden. Was Deutschland beispielsweise mit seinen Reallaboren der Energiewende begonnen hat, soll auf europäischer Ebene fortgesetzt werden.
Um den wirtschaftlichen Aufschwung zu unterstützen, will sich Deutschland vor allem auf die Maßnahmen des Europäischen Grünen Deals mit kurzfristig entlastender und bestenfalls auch ankurbelnder Wirkung konzentrieren. Der Weg zu einer ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft verursacht einen hohen Investitionsbedarf. Ein Investitionsplan für ein nachhaltiges Europa und ein Mechanismus für einen gerechten Strukturwandel stehen deshalb ganz oben auf der To-Do-Liste während der EU-Ratspräsidentschaft.
Technologische Wachstumsfelder und Klimaschutz voranbringen
"Deutschland verfolgt eine zukunftsgerichtete Energiepolitik mit klaren Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Offshore-Projekte und klaren Anreizen für die Entwicklung von Wasserstofftechnologien", sagte Altmaier während der Vorstellung.
Offshore-Wind-Projekte und Wasserstoff-Technologien leisten nicht nur einen wichtigen energiepolitischen Beitrag, um die ambitionierten Energie- und Klima-Ziele der EU zu erreichen, sondern bieten gleichzeitig auch große industriepolitische Chancen. Für gemeinsame Projekte der EU-Mitgliedstaaten, insbesondere im Bereich Offshore-Windenergie, fehlen jedoch bislang förderliche europäische Rahmenbedingungen. Deshalb will sich Deutschland für die Verabschiedung von Ratsschlussfolgerungen einsetzen, die die von der EU-Kommission angekündigte Strategie zu erneuerbaren Energien auf See berücksichtigen. Herzstück soll ein Rahmenwerk sein, das die Umsetzung gemeinsamer Projekte fördert – so wie es die Mitgliedsländer der Nordsee-Energiekooperation und die EU-Kommissarin für Energie während ihres Treffens Anfang Juli gefordert hatten.
Damit Erdgas Stück für Stück durch Wasserstoff ersetzt und andere Einsatzmöglichkeiten für Wasserstoff geschaffen werden können, müssen sich die entsprechenden europäischen und globalen Märkte und Infrastrukturen entwickeln. Deshalb will Deutschland auch hier auf die Verabschiedung von Ratsschlussfolgerungen hinarbeiten. Eine hochrangige Konferenz Anfang Oktober 2020 soll die Diskussionen zur Entwicklung eines EU-Binnenmarktes für Wasserstoff weiterbringen.
Erreichen der EU-2030-Ziele für erneuerbare Energien und Energieeffizienz
Auf Basis der Auswertung der Nationalen Energie- und Klimapläne (NECP) durch die EU-Kommission soll beraten werden, wie die EU-2030-Energieziele für die Steigerung der Energieeffizienz und den Ausbau von erneuerbaren Energien erreicht werden können. In diesem Zusammenhang will Deutschland unter anderem über die Bepreisung der Emissionen in den Sektoren Wärme und Verkehr, die Initiative der EU-Kommission zur Steigerung der Sanierungsrate im Gebäudebereich ("Renovierungswelle") sowie einen unterstützenden Rahmen zur Mobilisierung der Investitionen in Erneuerbare-Energien-Projekte diskutieren.
Erfahrungsaustausch zur Stromversorgung in Krisensituationen
Der Stromversorgung kommt eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung jeder Krise und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Versorgung in Krisensituationen zu. Um die Handlungsfähigkeit des Stromsektors sicherzustellen und den Informationsaustausch zwischen Netzbetreibern und Regulierungsbehörden sowie EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission zu verbessern, will Deutschland den Erfahrungsaustausch zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung in Krisensituationen im Hinblick auf mögliche zukünftige Gesundheitskrisen fortführen.
Die Erwartungen sind groß, dass Deutschland all diese und weitere wichtige Zukunftsthemen voranbringt, um Europa gemeinsam und zukunftsgerichtet wieder stark zu machen.