Kind und Ventilator. © Adobe Stock/somemeans

Frischer Wind für den Ausbau der Erneuerbaren

Warum bis 2030 mehr Strom vom Meer kommt, wie Einwohner und Kommunen von Windenergieanlagen an Land profitieren und welche neuen Abstandsregeln dafür gelten sollen.

Wenn der Wind an unseren Küsten weht, produzieren die Windenergieanlagen draußen auf See große Mengen an umweltfreundlichem Windstrom. Mit bloßem Auge sind sie selten von der Küste aus zu erkennen und so haben die meisten Menschen sie noch nie gesehen: große Windparks, die die Kraft des Seewindes nutzen und in erneuerbare Energie verwandeln. Schon heute ist Deutschland nach Großbritannien der zweitgrößte Markt für Offshore-Windenergie weltweit. Insgesamt waren Ende 2019 rund 7,5 Gigawatt (GW) auf See installiert. Im letzten Jahr kamen 160 neue Offshore-Windenergie-Anlagen mit einer installierten Leistung von zirka 1,1 Gigawatt (GW) neu hinzu. Und es ist noch Luft nach oben. Gerade in Nord- und Ostsee sind die Bedingungen für Offshore-Windenergieanlagen günstig. Es gibt genügend geeignete Flächen, der Wind weht konstanter als an Land, die einst hohen Technologiekosten sind in den letzten Jahren stark gesunken und die Akzeptanz bei den Menschen ist hoch. Schon 2030 will die Bundesregierung 20 Gigawatt Offshore-Windenergie-Leistung nutzen können. Deshalb wurde bereits mit dem Klimaschutzprogramm 2030 beschlossen, das bisherige Ausbauziel von 15 Gigawatt deutlich anzuheben. Denn der effiziente, netzsynchrone und zunehmend marktorientierte Ausbau der erneuerbaren Energien gilt als entscheidender Baustein, um die Energiewende voran zu bringen und die Klimaziele in der Energiewirtschaft zu erreichen. Mit der Überarbeitung des Windenergie-auf-See-Gesetzes soll es zeitnah gesetzliche Anpassungen geben, darunter die Anhebung des Ausbau-Zieles.

5 Gigawatt obendrauf: Offshore-Vereinbarung ermöglicht Anhebung des Ausbauziels auf See

Den passenden Rahmen für diese im Klimaschutzprogramm 2030 verankerte Aufgabe haben der Bund, die Küstenländer und die beteiligten Übertragungsnetzbetreiber (50Hertz, Amprion und TenneT) jetzt mit einer gemeinsamen Offshore-Vereinbarung geschaffen. Sie enthält konkrete Meilensteine und Zeitziele, um die Flächen im Meer festzulegen und die Genehmigung und den Bau der Anbindungsleitungen sowie die Ausschreibungen für neue Windparks eng abzustimmen. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

Mehr Strom aus Offshore-Windenergie braucht zusätzliche Flächen auf See. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) soll laut der Vereinbarung die Voraussetzungen dafür schaffen und bis Ende 2020 die möglichen Standorte für neue Windparks in einem Flächenentwicklungsplan ausweisen. Wird mehr Strom erzeugt, muss dieser auch an Land und in die Verbrauchszentren transportiert werden. Die benötigten Leitungen für die Anbindung neuer Windparks hatte die Bundesnetzagentur (BNetzA) bereits im Netzentwicklungsplan 2019 bestätigt. Von 2021 bis 2030 sollen demnach insgesamt 14 neue Offshore-Anbindungsleitungen gebaut werden. Die Küstenländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein wollen dafür notwendige Genehmigungsverfahren jetzt zeitnah abschließen. Die Übertragungsnetzbetreiber haben zugesagt, die Offshore-Anbindungsleitungen rechtzeitig fertigzustellen und in Betrieb zu nehmen. So kann der Strom aus den künftigen Windparks direkt weiter transportiert werden.

Für den Transport soll ab 2029 eine innovative Technologie zum Einsatz kommen: neuartige Erdkabel, mit denen über ein einzelnes Kabelsystem künftig die doppelte Leistung im Vergleich zur bisher üblichen 320-kV-Technologie auf die Reise geschickt werden kann. Die kunststoffisolierten Gleichstromerdkabel mit einer Spannungsebene von 525 Kilovolt (kV) könnten die Zahl der erforderlichen Anbindungsleitungen in der Nordsee halbieren. So wären auch weniger Eingriffe in die Natur nötig, zum Beispiel im UNESCO-geschützten Nationalpark Wattenmeer.

Einige neue Offshore-Anbindungsleitungen sind bereits geplant, andere kommen mit dem 20-Gigawatt-Ziel neu hinzu. Für alle Vorhaben wurden konkrete Zeitpläne und Verantwortliche festgelegt. Die Meilensteine umfassen Beginn und Ende der Planungsverfahren, Baubeginn und Inbetriebnahme. Sie ergänzen das bereits beim BMWi geführte Controlling des Stromnetzausbaus an Land. Über die aktuellen Fortschritte berichtet die Bundesnetzagentur im Rahmen des bestehenden Monitorings zum Stromnetzausbau. Auf www.netzausbau.de kann sich jeder über den Stand der Offshore-Anbindung und des Netzausbaus an Land informieren. Die Zeitziele werden künftig im Rahmen des Netzausbau-Controllings des BMWi regelmäßig überprüft. So können Verzögerungen frühzeitig erkannt und entsprechende Maßnahmen schneller eingeleitet werden - ganz nach dem Vorbild des 2019 bereits erfolgreich umgesetzten Controllings der Netzausbauvorhaben von Bund und Ländern.

Verständigung über Abstandsregelungen für Windräder an Land und über Streichung des Solardeckels

Bei Wind an Land wird nun für Klarheit gesorgt. Die stellvertretenden Vorsitzenden der Regierungsfraktionen haben sich am 18. Mai 2020 geeinigt: Anstelle einer bundesweit einheitlichen Abstandsregelung zwischen Windenergieanlagen und Wohngebäuden soll den Ländern mit einer Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch die Möglichkeit eröffnet werden, hier selbst Mindestabstände zu regeln. Demnach sollen Länder künftig selbst entscheiden, ob sie von der 1.000-Meter-Abstandsregelung für Windräder Gebrauch machen und im jeweiligen Landesrecht Abweichungen regeln. Mit dem neuen Vorschlag sollen Länder in Zukunft Planungsspielräume bei der Ausweisung von Flächen für den Windausbau erhalten.
Gute Nachrichten gibt es auch für Photovoltaik (PV). Der sogenannte PV-Deckel, der den Ausbau bisher begrenzt, soll unverzüglich gestrichen werden. Er beschränkt die Förderung von PV-Anlagen bis 750 Kilowatt auf eine Gesamtkapazität von 52 Gigawatt (GW).

Wie Einwohner und Kommunen künftig von Windenergieanlagen an Land profitieren können

Bereits im Oktober 2019 hatte die Bundesregierung mit dem Klimaschutzprogramm 2030 beschlossen, Kommunen zukünftig finanziell am Betrieb von Windenergieanlagen zu beteiligen. Ein neues Eckpunktepapier des BMWi enthält jetzt zusätzlich einen Vorschlag für die Beteiligung von Bürgern.

Mit Blick auf die Kommunen sieht das Papier eine im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verankerte, verpflichtende jährliche Zahlung von Betreibern neuer Windenergieanlagen an die Standortkommune vor. Gelten soll sie für Anlagen, die ab 2021 einen Zuschlag bei Ausschreibungen und eine Vergütung nach dem EEG erhalten. Pro Kilowattstunde Stromertrag ist eine Zahlung von 0,2 Cent vorgesehen. Durch Einspeisemanagement abgeregelte Strommengen werden dabei ebenfalls berücksichtigt. Je nach Standort und Stromertrag können so rund 20.000 Euro pro Jahr und Anlage zusammenkommen. Mit den zusätzlichen Einnahmen sollen Kommunen und deren Einwohner von der Windenergienutzung profitieren.

Betreiber von Windenergieanlagen, die zusätzlich den Einwohnern einen vergünstigten Bürgerstrompreis zur Verfügung stellen, können ihre jährliche Zahlung an die Kommune auf 0,1 Cent pro Kilowattstunde reduzieren. Dazu müssen mindestens 80 laufende Bürgerstromverträge mit Anwohnern bestehen. Der Bürgerstromtarif darf höchstens 90 Prozent des örtlichen Grundversorgungstarifs betragen. In einem durchschnittlichen Haushalt könnten damit mehr als 100 Euro pro Jahr eingespart werden.

Umgesetzt werden soll die Beteiligung von Kommunen und Bürgern mit der Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Den Entwurf dafür will die Bundesregierung noch vor der Sommerpause vorlegen.

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