Die Zukunft hat begonnen: In diesen neuen Stadtquartieren lebt es sich klimafreundlich
Mehr als ein Viertel der gesamten Endenergie verbrauchen die Deutschen in den eigenen vier Wänden. Vor allem zum Heizen und zum Duschen. Das Problem dabei: Viele Gebäude sind schlecht oder gar nicht gedämmt und haben häufig eine veraltete Heizungsanlage. Das führt dazu, dass die Gesamtheit der Gebäude in Deutschland zu mehr als 30 Prozent der CO2-Emissionen beitragen. Genau die will die Bundesregierung aber bis 2050 im Vergleich zu 2008 um mindestens 80 Prozent senken. Das wird nur gelingen, wenn Gebäude und ganze Stadtquartiere energieeffizient und klimafreundlich werden. Eine Mammutaufgabe, die jedoch mit staatlicher Unterstützung zu meistern ist.
In sechs Leuchtturmprojekten entsteht die Stadt der Zukunft
Neben vielen passgenauen Förderprogrammen für Eigenheimbesitzer (mehr erfahren Sie hier) unterstützt das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) zusammen mit dem Bundesforschungsministerium (BMBF) die Wärmewende in Gebäuden und Quartieren: Das Förderprogramm "Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt" fördert nicht nur das energieoptimierte Bauen, Sanieren und Betreiben von Gebäuden und Quartieren, sondern auch die intelligente Vernetzung von Strom, Wärme und Mobilität. Dabei wird Strom aus erneuerbaren Energien auch dazu genutzt, Wärme, Kälte und Antriebsenergie zu erzeugen (mehr dazu lesen Sie hier).
Wie genau das in der Praxis aussehen kann, zeigen sechs Leuchtturmprojekte, die die beiden Ministerien mit insgesamt 100 Millionen Euro unterstützen. Ziel ist es, die jeweiligen Konzepte unter realen Bedingungen so weit auszuarbeiten, dass sie sich in Zukunft auf andere Quartiere und Städte in ganz Deutschland übertragen lassen.
Früher Nähmaschinen, bald Solarfassaden
Gut 150 Jahre lang wurden auf dem ehemaligen Werksgelände der Pfaff AG in Kaiserslautern Nähmaschinen produziert. Heute entsteht hier ein klimaneutrales Quartier für Unternehmen und Bewohner, in dem neue Technologien entwickelt, demonstriert und optimiert werden. Für die Bereiche Energieversorgung, Gebäude, Elektromobilität und Digitalisierung sollen aufeinander abgestimmte Lösungen entwickelt und auch gleich in der Praxis geprüft werden. Die Energieversorgung beispielsweise erfolgt über ein Smart Grid, also ein intelligentes Stromnetz, in dem alle Stromerzeuger, -verbraucher und -speicher miteinander vernetzt sind. So können Erzeugung und Verbrauch optimal aufeinander abgestimmt werden. Solarflächen auf den Gebäuden oder innovative Solarfassaden erzeugen erneuerbare Energie vor Ort. Elektroautos dienen sowohl als Verbraucher und Speicher, die Strom aus ihrer Batterie über Ladesäulen zurück ins Netz geben können (weitere Einzelheiten zum Pfaff-Quartier erfahren Sie hier).
Überschüssigen Strom aus Windparks nutzen
In Heide in Schleswig-Holstein ist Ende Februar 2018 das Leuchtturmprojekt QUARREE100 gestartet. Im 20 Hektar großen Stadtquartier Rüsdorfer Kamp sollen sowohl vor Ort erzeugte erneuerbare Energien als auch Windkraftanlagen in Norddeutschland die Energieversorgung bestimmen. Gerade im Norden wird häufig mehr Windstrom erzeugt, als die Stromnetze aufnehmen können, so dass Anlagen abgeschaltet werden müssen. Genau das soll durch die Einbeziehung von Windparks in die Versorgung von Quartieren zukünftig vermieden werden. Zudem geht es beim QUARREE100 darum, flexible Batterie- und Gasspeicher weiterzuentwickeln, um Stromüberschüsse zu sammeln und später nutzen zu können. Und auch beim Thema Mobilität setzt man auf Flexibilität und bietet sowohl regenerativ erzeugten Wasserstoff als auch Methan und Strom als alternative Antriebsquellen an (mehr zum QUARREE100 finden Sie hier).
Energie von Nachbarn für Nachbarn
Ein weiteres Leuchtturmprojekt wird auf dem Fliegerhorst in Oldenburg umgesetzt. Unter dem Motto "Energie von Nachbarn für Nachbarn" entsteht hier in den nächsten Jahren ein energetisches Nachbarschaftsquartier mit rund 110 Wohneinheiten. Auch hier geht es in erster Linie darum, den Energiebedarf des Quartiers zum größten Teil aus lokal erzeugter Energie zu decken und "Abfallenergie" zu vermeiden. Das Konzept sieht einen Verbund aus Erzeugern und Verbrauchern vor, die direkt miteinander interagieren. Überschüssige Energie kann in andere Energieformen umgewandelt und gespeichert werden (weitere Infos zum Energetischen Nachbarschaftsquartier finden Sie hier).
Aus Smart Homes wird eine Smart Street
In Zwickau setzen die Planer bei ihrer Arbeit an einer klimaneutralen Zukunft des Wohnens vor allem auf vernetzte und intelligente Technik: Den Bewohnern des Projekts "Zwickauer Energiewende Demonstrieren (ZED)" soll Wärme und Energie genau dann zur Verfügung stehen, wenn sie diese wirklich brauchen. Erzeugt werden diese über Wärmepumpen und Solaranlagen, überschüssiger Strom wird in Speichern gesammelt. In der ersten Projektphase werden Wohnungen zu Smart Homes hochgerüstet, in denen Heizungen und Stromverbraucher in ein intelligentes Netz eingebunden werden. Dadurch kennt das Smart Home den jeweiligen Energiebedarf genau und kann seine Bewohner entsprechend versorgen. In der zweiten Phase werden die einzelnen Smart Homes dann so verbunden, dass die Wärme- und Energieversorgung in einem ganzen Straßenzug intelligent gesteuert werden kann. Eine Besonderheit bei diesem Projekt ist der Fokus auf bezahlbares Wohnen: Energieeffizienten und möglichst klimaneutralen Wohnraum sollen sich alle leisten können, unabhängig von der Höhe des Einkommens (mehr zum Projekt lesen Sie hier).
Über Grenzen hinweg vernetzt
Bis 2025 soll das klimaneutrale Stadtquartier "Neue Weststadt" in Esslingen mit rund 500 Wohneinheiten, Gewerbe- und Büroflächen, einem Hotel und mehreren Gebäuden der Hochschule fertiggestellt sein. Für die möglichst klimaneutrale Zukunft des Quartiers werden hier vor allem die beiden Verfahren Power-to-Heat (P2H) und Power-to-Gas (P2G) untersucht. Der Wasserstoff, der bei P2G entsteht, kann sowohl in den Bereichen Wärme und Strom als auch als alternativer Kraftstoff im Bereich Mobilität genutzt werden. Zudem soll die "Neue Weststadt" intelligent vernetzt sein – nicht nur als Insellösung, sondern auch mit angrenzenden Stadtquartieren (alle Einzelheiten zur Neuen Weststadt Esslingen erfahren Sie hier).
Quartiers-App zum Mitmachen
Das sechste Leuchtturmprojekt ist das "Stadtquartier 2050", das unter dem Motto "Herausforderungen gemeinsam lösen" steht. Zwei Quartiere in Stuttgart und Überlingen am Bodensee mit insgesamt mehr als 960 Wohneinheiten sollen zeigen, wie innovative Gebäudelösungen zur Klimaneutralität und zur Sozialverträglichkeit in angespannten Wohnungsmärkten beitragen können. Dazu werden beispielsweise lokale erneuerbare Energien mit einem Nahwärmenetz sowie thermischen und elektrischen Speichern verknüpft und Gebäude mit besonders hochwertiger Wärmedämmung versehen. Außerdem sollen die Nutzerinnen und Nutzer der Gebäude durch eine interaktive "Quartiers-App" am Energiemanagement beteiligt und für energieeffizientes Verhalten belohnt werden. Der Startschuss für das Projekt soll im Laufe dieses Jahres fallen.
Berliner Energietage vom 7. bis 9. Mai
Alle sechs Leuchtturmprojekte präsentieren sich am 8. Mai 2018 auf den Berliner Energietagen. Die Energietage sind die Leitveranstaltung der deutschen Energiewende und bereits seit 1999 als zentrale Plattform etabliert, um den Austausch von Politik, Praxis und Forschung auf Bundesebene zu fördern. Die mehr als 50 Fachveranstaltungen mit rund 350 Referenten richten sich unter anderem an Entscheider aus Politik, Verwaltung, Verbänden und öffentlichen Einrichtungen sowie an Experten aus dem Energiebereich und Architekten, Ingenieure und Berater.
Weiterführende Informationen:
- BMWi-Themenseite "Forschung für energieoptimierte Gebäude und Quartiere"
- Internetauftritt der Berliner Energietage 2018
- Pfaff-Quartier in Kaiserslautern
- QUARREE 100 in Heide, Schleswig-Holstein
- Energetisches Nachbarschaftsquartier in Oldenburg
- "Zwickauer Energiewende Demonstrieren (ZED)" in Zwickau
- "Neue Weststadt" in Esslingen