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Illustration: Erneuerbare Energien unter einer Lupe © BMWi

Was ist eigentlich "Direktvermarktung"?

Produzenten von Strom aus Erneuerbaren müssen diesen meist selbst vermarkten. Was das mit Landwirten, Tomaten und mehr Versorgungssicherheit zu tun hat? Die Antworten erhalten Sie hier.

Darum geht’s: den selbst produzierten Strom aus Erneuerbaren auch selbst an der Strombörse vermarkten

Wer frisches Gemüse kaufen will, geht normalerweise in den Supermarkt. Dort findet er alles, was das Herz – und der Magen – begehrt: Tomaten, Kartoffeln, Karotten und vieles mehr. Der Supermarkt kauft diese Produkte (zumindest teilweise) bei Landwirten aus der Region ein und verkauft sie an seine Kunden weiter.

So ähnlich hat lange Zeit auch der Handel mit Strom aus erneuerbaren Energien funktioniert: Die Betreiber von Windenergie-, Solar- oder Biomasseanlagen haben ihren Strom an die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) übertragen. Hierfür erhielten sie eine kostendeckende Vergütung. Der ÜNB hat den Strom an der Strombörse vermarktet. Dort wird er von Energieversorgern gekauft und findet so seinen Weg zum Endverbraucher. Die Differenz aus der Vergütung und den Verkaufserlösen der ÜNB wird in Form der EEG-Umlage auf alle Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher umgelegt.

Dass das Ganze auch anders geht, weiß jeder, der auf dem Land lebt – und seine Tomaten statt im Supermarkt direkt beim Bauern seines Vertrauens kaufen kann. Die so genannte "Direktvermarktung" wurde 2012 beim Strom aus Erneuerbaren eingeführt – zunächst freiwillig, ab 2014 dann verpflichtend für alle Anlagen ab einer bestimmten Größe (derzeit ab 100 Kilowatt). Seitdem können die Anlagenbetreiber ihren Strom nicht mehr einfach an den Übertragungsnetzbetreiber verkaufen. Sie müssen ihn selbst an der Strombörse vermarkten – oder vermarkten lassen.

Die Rechnung geht auf

Obwohl es "Direktvermarktung" heißt, vermarkten die meisten Anlagenbetreiber ihren Strom nicht selbst an der Strombörse. Stattdessen übertragen sie diese Aufgabe einem Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat: einem sogenannten Direktvermarkter. Der Anlagenbetreiber erhält seine Vergütung nun vom Direktvermarkter. Dieser verkauft den Strom an der Börse. Da die Börsenerlöse in der Regel nicht ausreichen, um die Anlagen zu refinanzieren, wird zusätzlich eine Marktprämie ausgezahlt. Der Anlagenbetreiber erhält vom Direktvermarkter eine Mischung aus Börsenerlös und Marktprämie abzüglich einer Provision für den Direktvermarkter.

Jetzt wird es interessant: Wer mit einer kleinen Anlage (weniger als 100 Kilowatt) Strom aus Erneuerbaren produziert und ihn deshalb nicht direkt vermarkten muss, erhält für jede Kilowattstunde (kWh) Strom eine feste staatliche Vergütung – sagen wir 12 Cent pro kWh. Wenn ein Anlagenbetreiber, der seinen Strom direkt vermarkten muss, an der Börse nur 4 Cent pro kWh erhält, wäre er klar im Nachteil. Deshalb gibt es bei der Direktvermarktung die sogenannte Marktprämie. Sie gleicht den Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Börsenpreis und dem sogenannten anzulegenden Wert aus. Dieser Wert ist – vereinfacht gesagt – vergleichbar mit der festen staatlichen Vergütung, wird aber nicht mehr administrativ, sondern seit Jahresbeginn in Ausschreibungen ermittelt (mehr zum Thema Ausschreibungen erfahren Sie hier). Wenn der anzulegende Wert ebenfalls 12 Cent pro kWh beträgt, gleicht die Marktprämie den Unterschied zu den 4 Cent Börsenstrompreis aus, beträgt also 8 Cent.

Da für die Berechnung der Marktprämie der durchschnittliche monatliche Börsenstrompreis angesetzt wird, kann man mit einer geschickten Direktvermarktung und Auslegung der Anlage mehr Geld rausholen als die 12 Cent: Wenn an einem Tag besonders viel Strom nachgefragt wird und deshalb die Preise an der Strombörse steigen, profitiert der, der seinen Strom genau jetzt verkauft. Andersherum gilt aber auch: Wer dann verkauft, wenn der Börsenstrompreis gerade im Keller ist, verdient weniger. Dadurch sollen die Anlagenbetreiber angehalten werden, ihre Stromproduktion der tatsächlichen Nachfrage anzugleichen.

Außerdem soll die Planbarkeit verbessert werden: Welche Erneuerbare-Energien-Anlage liefert wann wie viel Strom? Solche Prognosen sind für ein stabiles Stromnetz wichtig, für die Anlagenbetreiber jedoch mit zusätzlichen Kosten verbunden – zum Beispiel für die exakte Auswertung von Wetterdaten. Deshalb enthält der anzulegende Wert von 12 Cent aus dem Beispiel oben auch noch die sogenannte Managementprämie. Sie gleicht die Kosten, die mit der Direktvermarktung verbunden sind, anteilig aus.

Erneuerbare tragen zur sicheren Stromversorgung bei

Durch die Direktvermarktung übernehmen Anlagenbetreiber, die Strom aus Erneuerbaren produzieren, die gleiche Verantwortung wie die Betreiber konventioneller Kraftwerke: Sie sagen ihre Produktionsmenge verlässlich voraus und haben einen Anreiz, ihre Produktion der Nachfrage anzupassen, indem sie ihre Anlage zum Beispiel bei negativen Preisen abregeln oder drosseln. Dadurch tragen sie zu einem stabilen Stromnetz und einer sicheren Versorgung bei – und somit zum Erfolg der Energiewende.

Übrigens: Seit 2015 gibt es auch in Frankreich ein Gesetz zur Direktvermarktung von Strom aus Erneuerbaren. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Ländern lassen sich im aktuellen Hintergrundpapier der Energiebörse EPEX SPOT und des Deutsch-Französischen Büros für die Energiewende (DFBEW) nachlesen.

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