Was ist eigentlich "Regelenergie"?
Darum geht’s: Das Stromnetz stabil halten, indem sich Erzeugung und Verbrauch immer die Waage halten. Und dabei verstärkt auf Erneuerbare setzen.
Wenn man eine Waage im Gleichgewicht halten möchte, muss man auf die linke Waagschale genauso viel Gewicht legen wie auf die rechte. Und wenn man auf einer Seite etwas hinzufügt oder wegnimmt, muss man das auf der anderen Seite sofort ausgleichen.
So ähnlich funktioniert auch unser Stromnetz: Zwischen Stromproduktion und Stromverbrauch muss immer ein Gleichgewicht herrschen. Vereinfacht gesagt bedeutet das zum Beispiel: Steigt der Stromverbrauch, muss augenblicklich auch die Stromerzeugung steigen. Sinkt der Verbrauch hingegen, muss die Stromerzeugung sofort gedrosselt werden. Nur so lässt sich ein stabiles Stromnetz aufrechterhalten.
Für die Stabilität des Stromnetzes sind die Strommarktteilnehmer verantwortlich – also Erzeuger wie zum Beispiel Windparks und Verbraucher wie beispielsweise große Industrieunternehmen. Erzeuger und Verbraucher sind in Deutschland in Bilanzkreisen erfasst. Ein Bilanzkreis ist ein virtuelles Energiemengenkonto, das von einer Art Buchhalter geführt wird: dem Bilanzkreisverantwortlichen. Er prognostiziert für seinen Bilanzkreis die Stromproduktion und den Stromverbrauch (mehr zum Thema Bilanzkreise erfahren Sie hier). Aber nicht alles lässt sich vorhersagen. Manchmal fällt plötzlich ein Kraftwerk aus, eine Flaute lässt die Windräder stillstehen oder der Stromverbrauch steigt unerwartet stark an. In diesen Fällen ist der Bilanzkreis unausgeglichen. Es ist also entweder zu viel oder zu wenig Strom im Netz. Hier hilft Regelenergie.
Regelenergie für den Fall der Fälle
Regelenergie stammt aus Anlagen, die die Übertragungsnetzbetreiber kurzfristig anzapfen, um zusätzlichen Strom im Netz zur Verfügung zu haben oder die Strommengen im Netz kurzfristig zu verringern. Damit das reibungslos funktioniert, nehmen die Anlagenbetreiber an Ausschreibungen der Übertragungsnetzbetreiber teil und versichern ihnen, dass sie im Fall der Fälle eine bestimmte Menge Strom kurzfristig bereitstellen oder die im Netz befindlichen Strommengen reduzieren können, indem zum Beispiel Kraftwerke ihre Einspeisung reduzieren oder Stromverbraucher ihren Strombezug erhöhen.
Dieser "Fall der Fälle" sind genau genommen drei Fälle:
- Primärregelenergie: Hier muss der Anlagenbetreiber innerhalb von 30 Sekunden die vereinbarte Strommenge zur Verfügung stellen.
- Sekundärregelenergie: Die Strommenge muss innerhalb von fünf Minuten zur Verfügung stehen.
- Minutenreserve (Tertiärregelenergie): Nach 15 Minuten muss die Strommenge zur Verfügung stehen.
Für den zweiten und dritten Fall hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) nun beschlossen, dass die Übertragungsnetzbetreiber die Regeln der Ausschreibungen ändern müssen. Bei der Sekundärregelenergie mussten die Anlagenbetreiber bislang eine Woche vorher versichern, dass sie am Stichtag eine bestimmte Strommenge liefern können. Die Minutenreserve wurde bisher jeden Werktag neu ausgeschrieben, nicht aber am Wochenende. Für das Wochenende und den folgenden Montag mussten Anlagenbetreiber also bereits freitags versichern, Strom liefern zu können. Kein Problem für Kohle- und andere konventionelle Kraftwerke, die ihre Stromerzeugung planmäßig verändern können. Für Betreiber von Windkraft- oder Solaranlagen sind Zusagen mit solch einer Vorlauffrist aber kaum möglich, da deren Stromproduktion von der Wetterlage abhängt und diese sich sehr kurzfristig ändern kann.
Regelenergie – jetzt auch von Erneuerbaren
Damit die erneuerbaren Energien bei der Bereitstellung von Regelenergie eine größere Rolle spielen und den fossilen Kraftwerken nach und nach Konkurrenz in diesem Marktsegment machen können, sollen die Ausschreibungen für Sekundärregelenergie und Minutenreserve künftig täglich von montags bis sonntags stattfinden. Der Strom muss zudem nur für einen Zeitraum von vier Stunden und nicht wie bislang bei der Sekundärregelenergie für täglich zwölf Stunden – und das eine ganze Woche lang – bereitgehalten werden. Und auch die geforderte Mindestmenge an Stromerzeugungskapazität wurde reduziert: Statt bei fünf Megawatt liegt die Mindestmenge jetzt nur noch bei einem Megawatt.
Die Änderungen erlauben es den Betreibern von Windkraft- und Solaranlagen, ihre Stromproduktion anhand der aktuellen Wetterlage realistisch einzuschätzen und an den tagesaktuellen Ausschreibungen teilzunehmen. Zudem können nun auch die Betreiber kleinerer Anlagen, die keine fünf Megawatt Strom liefern können, ihren Beitrag zur Regelenergie leisten. Die Stromnetzbetreiber haben jetzt ein Jahr Zeit, die neuen Regeln der BNetzA in der Praxis umzusetzen.
Wie viel Regelenergie wann und wo ins Netz gespeist wird, erfahren Sie auf SMARD, der neuen Strommarktplattform der BNetzA (mehr dazu hier).