Ökostrom-Ausschreibungen: Eine Chance für Stadtwerke?

Zu dieser Frage äußern sich Dr. Florian Bieberbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München, sowie Ortwin Wiebecke, Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Tübingen.

PRO: Dr. Florian Bieberbach

Dr. Florian Bieberbach ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München. © SWM/ Martin Hangen

In der Tat sind Ökostrom-Ausschreibungen eine Chance für Stadtwerke. Seit Jahren plädiere ich für einen volkswirtschaftlich optimalen, kombinierten Ausbau sowohl der Erneuerbaren Energien (EE) als auch der notwendigen Netze. Nach nunmehr knapp fünfzehn Jahren EEG, erheblichen Fortschritten in der Technologie und des professionalisierten Risikomanagements bei EE-Projekten rückt nun die Marktintegration in den Vordergrund.

Mit dem kommenden Ausschreibungsverfahren gehen die Erneuerbaren den notwendigen Schritt in die Marktfähigkeit. Marktintegration heißt, sich dem Grundprinzip aller funktionierenden Märkte zu unterwerfen, nämlich dass die Nachfrage auf ein passendes Angebot trifft. Die Nachfrage nach EE ergibt sich aus dem politischen Willen, im Sinne des Klimaschutzes schrittweise den Anteil der EE an der Stromerzeugung auszubauen. Diese Nachfrage soll zunehmend nach marktlichen Kriterien gedeckt werden – und das bedeutet Wettbewerb. Dieser Wettbewerb wird durch die Ausschreibungen erreicht, da hier derjenige den Zuschlag bekommt, der das wirtschaftlich beste Angebot abgibt.

Mit diesem Ausschreibungsverfahren wird zum einen eine höhere Effektivität der Förderung, d. h. eine genauere Steuerung der gewünschten Zubaumenge erreicht. Zum anderen führt das Ausschreibungsverfahren zu einer höheren Effizienz, d. h. das politisch formulierte Erneuerbare-Energien-Ziel wird zu geringeren volkswirtschaftlichen Kosten erreicht. Davon profitieren letztlich die Stromkunden, da eine höhere Effizienz über eine geringere EEG-Umlage zu einem niedrigeren Endkunden-Strompreis führt.

Die Umstellung des starren Einspeisevergütungssystems des "alten" EEG auf Ausschreibungen ist eine Chance für die Energiewende, da sie so finanzierbar und besser steuerbar bleibt. Gerade die Finanzierbarkeit ist besonders wichtig, um die Akzeptanz der Bevölkerung für die Erneuerbaren Energien und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft nicht zu gefährden. Damit sind die Ausschreibungen auch eine Chance für die Stadtwerke.

Dr. Florian Bieberbach ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München.

CONTRA: Ortwin Wiebecke

Ortwin Wiebecke ist kaufmännischer Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Tübingen. © swt/ Jens Klatt

Ich werde das Gefühl nicht los, dass es sich bei dem Ausschreibungsmodell um ein Trojanisches Pferd handelt, das mit dem Argument der Kostenreduzierung verkauft wird, letztlich aber nur zum Ziel hat, den Ausbau der Energiewende zu verzögern und den Markteintritt kleinerer Unternehmen zu behindern.

Die vorgesehene drastische Verengung der Ausbaukorridore wird den weiteren Ausbau der Windkraft und damit die weitere Entwicklung der Erneuerbaren Energien insgesamt stark abbremsen. Da in den ohnehin zu knappen Ausbaukorridoren auch noch die Repowering-Potenziale enthalten sind, dürfte sich der noch zu erwartende Zubau dort konzentrieren, wo zusätzlicher Strom nicht gebraucht wird, nämlich auf besonders windhöffige Bestandsstandorte in wenigen Regionen Norddeutschlands. Der Ausbau im Süden droht dagegen fast vollständig zum Erliegen zu kommen. Dazu kommt, dass das Teilnahmeverfahren hochkomplex ausgestaltet und mit erheblichen Risiken behaftet ist. Das alles mag für große Energiekonzerne oder international agierende Finanzinvestoren kein Problem sein. Für kleinere und mittlere Unternehmen jedoch verringern sich die Eintrittschancen in den Markt der Erneuerbaren ganz erheblich.

An dieser Entwicklung kann die Mehrheit der Stadtwerke kein Interesse haben - im Gegenteil! Was wir wirklich brauchen, ist ein Verfahren, das eine breit angelegte, dezentrale Weiterentwicklung des Marktes für Erneuerbare Energien ermöglicht, an der auch kleinere und mittlere Stadtwerke in weiten Regionen Deutschlands sinnvoll teilhaben können. Das ist zumindest mit der heute vorgesehenen Ausgestaltung des Ausschreibungsmodells nicht vereinbar. Hier besteht erheblicher Nachbesserungsbedarf: Die Ausbauziele müssen nach oben korrigiert werden, die regionale Verteilung des Zubaus muss die Verbrauchszentren im Süden Deutschlands angemessen berücksichtigen und die Teilnahmebedingungen müssen vereinfacht werden, wenn sie nicht von vornherein einen Großteil der Marktteilnehmer ausschließen sollen.

Ortwin Wiebecke ist kaufmännischer Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Tübingen.

Wie wird Strom aus Erneuerbaren in Zukunft gefördert?

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat Mitte Februar ein aktualisiertes Eckpunktepapier für die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2016 vorgelegt, das konkrete Vorschläge zum Beispiel zur Akteursvielfalt enthält.

Weitere Informationen finden Sie zudem im Aufmacher der letzten Newsletter-Ausgabe: "Erneuerbare Energien: Faire Chancen im Wettbewerb".

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