Brauchen wir Elektroautos als mobile Speicher, damit die Energiewende funktioniert?

Zu dieser Frage äußern sich Prof. Dr.-Ing. Julia Kowal von der TU Berlin sowie Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer von der RWTH Aachen.

PRO: Prof. Dr.-Ing. Julia Kowal

Prof. Dr.-Ing. Julia Kowal, Professorin für Elektrische Energiespeichertechnik an der Technischen Universität Berlin © Prof. Dr.-Ing. Julia Kowal, TU Berlin, Fachgebiet Elektrische Energiespeichertechnik

Erneuerbare Energien wie Windkraft und Photovoltaik sind bekanntlich keine konstanten Energielieferanten, sondern die Erzeugung ist stark schwankend und zeitweise komplett unterbrochen, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht. Es gibt also Zeiten, in denen wenig Energie erzeugt wird und Zeiten, in denen viel erzeugt wird. Um die Energieversorgung in Deutschland bei einem verstärkten Anteil von erneuerbaren Energien trotzdem jederzeit und mit der benötigten Energiemenge zu gewährleisten, kann man entweder so viel Überkapazität installieren, dass praktisch immer zu viel Energie erzeugt wird – was aber hohe Kosten verursacht – oder die Energie, die zu viel erzeugt wird, wird gespeichert und ins Netz eingespeist, wenn sie gebraucht wird.

Auch Energiespeicher sind teuer. Deshalb muss gut kalkuliert werden, wo, in welcher Größe, bei welchem Einsatz und zu welchen Kosten die Installation eines Speichers wirtschaftlich ist.

Neben der Installation von stationären Speichern als Zwischenspeicher wird auch die Nutzung von Batterien aus am Netz angeschlossenen Elektro- und Hybridfahrzeugen diskutiert. Unter der Annahme, dass deren Anzahl weiter steigt – was doch sehr wahrscheinlich ist – sollten die Batterien unbedingt berücksichtigt werden. Da die meisten PKW die meiste Zeit nicht benutzt werden, könnten sie bei entsprechendem Netzanschluss überschüssige Energie aufnehmen oder auch Energie abgeben, wenn sie benötigt wird. Die entstehende Mehrbelastung der Batterien ist eher gering; ohne Benutzung altern die Batterien auch und aufgrund der geringen zeitlichen Nutzung kann es passieren, dass gar nicht die möglichen Zyklen ausgeschöpft werden bevor das Lebensende erreicht wird. Die Batterien würden im Gegenteil sogar besser ausgenutzt.

Die Kosten, die durch die Doppelnutzung entstehen, sind also deutlich geringer als die Kosten, die die Installation eines stationären Speichers verursachen würde. Damit Energie auch bei einem sehr hohen Anteil erneuerbarer Energien bezahlbar bleibt, sollten also unbedingt die Fahrzeugbatterien genutzt werden.

Prof. Dr.-Ing. Julia Kowal ist Professorin für Elektrische Energiespeichertechnik an der Technischen Universität Berlin.

CONTRA: Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer

Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer, RWTH Aachen und JARA Energy © Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer / RWTH Aachen und JARA Energy

Nein, die Energiewende braucht nicht die mobilen Speicher aus Elektroautos, um eine zuverlässige und stabile Stromversorgung sicherstellen zu können. Umgekehrt braucht die Elektromobilität die Energiewende, damit durch die Verwendung von CO2-armem Strom wirklich eine nahezu emissionsfreie Mobilität möglich wird. Aktuell können aber die fluktuierenden erneuerbaren Energien weiter problemlos ausgebaut werden, ohne dass dafür Elektroautos gebraucht werden. Für die Primärregelreserve, deren Bereitstellung aus konventionellen Kraftwerken immer schwieriger wird, weil immer weniger davon über mindestens eine Woche am Stück durchlaufen, werden aktuell viele Batteriespeicherprojekte mit Leistungen zwischen 5 und vielen 10 MW installiert. Für alles andere braucht es im Moment noch keine Speicher. Zudem gibt es durch zum Beispiel Demand-Side-Management oder durch Hausspeichersysteme bei Photovoltaikanlagen einige Alternativen.

Aber wenn der Anteil fluktuierender erneuerbaren Energien zunimmt, wird der Speicherbedarf auch steigen. Wenn es dann Elektrofahrzeuge in einer signifikanten Zahl auf der Straße gibt – wovon ich fest ausgehe – dann zeigt jede volkswirtschaftliche Betrachtung, dass wir alles dafür tun sollten, um den Einsatz der Batterien in den typischerweise 22 bis 23 Stunden am Tag, in denen das Fahrzeug nicht fährt, zu ermöglichen oder per Netzanschlussbedingungen sogar zu erzwingen. Die Batterien haben ausreichend Zyklenlebensdauer, um in signifikanten Umfang auch Energie ins Netz zurück zu speisen. Das Management des Ladevorgangs ist aus Batteriesicht sowieso ohne jede Zusatzbelastung. Aus Sicht aller Stromkunden wäre es fatal, wenn dieses Potenzial nicht genutzt wird, denn dann müssen andere Speicher und Flexibilitäten aufgebaut werden. Diese Zusatzkosten werden automatisch auf alle Stromkunden umgelegt werden. Die Fahrzeugbatterien sind schon da und verursachen nur geringe Mehrkosten. Eine Vielzahl von Anbietern, unter anderem aus den Bereichen Fahrzeughersteller, Energiekonzerne und IT-Dienstleister bereiten sich darauf vor, diesen Markt zu erschließen.

Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer ist Professor für „Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik“ am Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe (ISEA) der RWTH Aachen.

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