Energiegipfel: Gordischer Knoten bei der Energiewende gelöst
Die "losen Zahnräder" der Energiewende sind nun zu einem "Uhrwerk" zusammengefügt: Mit diesem Bild beschreibt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die politische Einigung zu zentralen Fragen der Energiewende. Beim Energiegipfel der Regierungskoalition Anfang Juli wurde ein wegweisendes, sorgfältig aufeinander abgestimmtes Maßnahmenpaket beschlossen. Es stellt die Weichen für eine erfolgreiche Energiewende, strukturiert sie und macht sie planbar für alle Akteure.
Bei der Umsetzung der Energiewende mussten dringende Entscheidungen in Kernfragen getroffen werden – denn es stehen wichtige Aufgaben an: Ein schneller und bürgerfreundlicher Ausbau der Stromnetze, die Gestaltung eines zukunftsfähigen Strommarkts, eine klare Perspektive für die klimafreundliche Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und die Umsetzung der Klimaziele.
Die Weichen für die weitere, konsequente Umsetzung der 10-Punkte-Energie-Agenda sind nun gestellt. Der Bundeswirtschaftsminister: "Jetzt kann es zügig vorangehen."
Deutschland erreicht seine Klimaziele
Von der Vereinbarung geht eine klare Botschaft aus: Deutschland steht zu seiner Verpflichtung, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen zusätzlich 22 Millionen Tonnen CO2 im Stromsektor eingespart werden. Wie dieser Minderungsbetrag zu erreichen ist, darüber wurde in den zurückliegenden Monaten ausgiebig diskutiert – unterschiedliche Handlungsoptionen und ihre Auswirkungen auf Unternehmen und Beschäftigung dabei gründlich abgewogen. Mit der getroffenen Einigung ist nun ein Durchbruch gelungen: Denn sie betrachtet das Thema CO2-Ausstoß nicht isoliert, sondern bezieht ausdrücklich die eng verwandten Themen Strommarkt, KWK-Förderung und Netzausbau mit ein. Der CO2-Minderungsbeitrag wird somit durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen erbracht. So wird auch sichergestellt, dass die nationalen Klimaschutzziele mit ökonomisch und sozial verträglichen Lösungen erreicht werden.
Die Vereinbarung sieht vor, dass Braunkohlekraftwerksblöcke in einem Umfang von 2,7 Gigawatt (das entspricht 13% der installierten Braunkohleleistung) schrittweise in eine Kapazitäts- und Klimareserve überführt und dann nach vier Jahren stillgelegt werden. Ergänzend dazu sagt die Braunkohlewirtschaft verbindlich zu, eine gegebenenfalls notwendige zusätzliche Minderung in Höhe von bis zu 1,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ab 2018 zu erbringen.
Als weitere Maßnahme wird das KWK-Gesetz reformiert. Die Kraft-Wärme-Kopplung (die gleichzeitige Gewinnung von Strom und Wärme) leistet so einen zusätzlichen Minderungsbeitrag von 4 Millionen Tonnen CO2, der hauptsächlich aus dem Ersatz bestehender Steinkohle-KWK-Anlagen durch Gas-KWK, einer moderaten Neubauförderung und einer zeitlich befristeten Förderung von gasbetriebenen Bestands-KWK-Anlagen der öffentlichen Versorgung herrührt.
Die verbleibenden 5,5 Millionen Tonnen CO2 werden ab 2016 durch Effizienzmaßnahmen im Gebäudebereich erzielt – in den Kommunen, der Industrie sowie im Schienenverkehr. Jährlich stehen dafür aus öffentlichen Fördermitteln über den Energie- und Klimafonds (EKF) jährlich bis zu 1,16 Milliarden Euro bis 2020 bereit.
Strommarkt 2.0: Versorgungssicherheit zu möglichst geringen Kosten
Die Kapazitäts- und Klimareserve, in die auch die oben genannten Braunkohlekraftwerke überführt werden, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Grundsatzentscheidung für einen Strommarkt 2.0. "Versorgungssicherheit zu möglichst geringen Kosten" – in dieser Formel lässt sich die Vision des Strommarkts der Zukunft zusammenfassen. Im jetzt veröffentlichten Weißbuch werden die Einzelheiten des künftigen Strommarkts ausführlich dargelegt: Gestärkte Marktmechanismen sorgen für eine effiziente Stromversorgung; flexible Stromerzeuger und –nachfrager reagieren auf die schwankende Netzeinspeisung aus erneuerbaren Energien. Weil Versorgungssicherheit ein hohes Gut für ein Industrieland wie Deutschland ist, sichert die Kapazitäts- und Klimareserve den Strommarkt 2.0 zusätzlich ab – wie der Hosenträger einen Gürtel.
Die maßvoll angehobene Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung ist ebenfalls im Gesamtkontext zu sehen. Mit der Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes werden zusätzliche Effizienzpotenziale gehoben und der CO2-Ausstoß in Deutschland wird nachhaltig reduziert. Weiterhin erhält die KWK eine Zukunftsperspektive. Die Deckelung der Kosten auf 1,5 Milliarden Euro im Jahr gewährleistet, dass sie nicht aus dem Ruder laufen.
Ausbau der Stromnetze kommt voran
Auch bei dem besonders umstrittenen Thema Netzausbau ist es gelungen, einen großen Schritt voranzukommen. Bekanntlich wird Windkraft verstärkt im Norden, Solarenergie schwerpunktmäßig im Süden ausgebaut. Das Stromnetz muss in die Lage versetzt werden, den erzeugten Strom schnell und über längere Entfernungen zu den Kunden zu transportieren. Moderne Gleichstromtechnik kann diese Aufgabe besonders verlustarm bewältigen.
Den notwendigen Trassen für Freileitungen begegnen Bürgerinnen und Bürger in betroffenen Regionen vielfach mit Sorge. Auf solche Ängste geht die getroffene Einigung ein: Bei neuen Gleichstromtrassen bekommen Erdkabel künftig den Vorrang vor Freileitungen. Das ändert aber nichts am grundsätzlichen Ausbaubedarf. Die zentralen Leitungen SuedLink und die Gleichstrompassage Südost stehen. Ihr exakter Verlauf wird im weiteren Planungsverlauf konkretisiert.
Die von den Koalitionsspitzen getroffenen Vereinbarungen sollen nach der parlamentarischen Sommerpause im Herbst durch das Kabinett verabschiedet werden. "Wir haben ein historisches Paket für die Energiewende und die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes geschnürt", so bewertet Sigmar Gabriel die Grundsatzentscheidungen, die die Energiewende ein großes Stück voranbringen.