Weißbuch: Stromversorgung bleibt sicher und kostengünstig
Die Stromversorgung muss auch bei einem wachsenden Anteil von erneuerbaren Energien sicher und kostengünstig bleiben. Daraus ergeben sich gleich mehrere Fragen: Wie kann man die wetterbedingt schwankende Produktion aus Wind und Sonne abfedern? Welche Rolle sollen konventionelle Kraftwerke spielen? Welche Anreize setzt man, damit Verbraucher genau dann Strom nutzen, wenn er günstig ist? Kurzum: Wie machen wir den Strommarkt fit für die Energiewende? Das jetzt vorgelegte Weißbuch, in dem der Strommarkt 2.0 ausbuchstabiert wird, bildet dafür ein solides Fundament.
Grünbuch stieß breite Debatte an
Dem Weißbuch vorausgegangen ist ein breiter und transparenter Diskussionsprozess. Mit der Veröffentlichung eines Grünbuchs hatte das BMWi die Debatte im Oktober 2014 angestoßen. Die darin dargelegten Erwägungen zu einem Strommarkt der Zukunft führten zu knapp 700 Stellungnahmen von Behörden, Verbänden, Gewerkschaften, Unternehmen und Bürgern. Diese sind in das Weißbuch eingeflossen. Die Grundsatzentscheidung für einen Strommarkt 2.0 gründet demnach auf einem gemeinschaftlichen Findungsprozess.
Nach Abwägung vieler Argumente gibt es eine klare Präferenz für einen Strommarkt 2.0 und gegen einen Kapazitätsmarkt. Im Strommarkt 2.0 bleiben bestehende Marktmechanismen erhalten und werden gestärkt. Wichtig ist vor allem, dass sich die Strompreise am Strommarkt weiter frei bilden und die Stromlieferanten konsequent dazu verpflichtet werden, immer ausreichend Strom für ihre Kunden zu liefern.
Ein Kapazitätsmarkt wird ausdrücklich nicht eingeführt. Denn dieser würde einen zusätzlichen Markt schaffen, der das Vorhalten von Kapazität vergütet. Die vom BMWi in Auftrag gegebenen Gutachten zeigen: in der Praxis ist ein Strommarkt 2.0 kostengünstiger als ein Kapazitätsmarkt.
Absicherung durch Kapazitätsreserve
Gleichwohl wird der Strommarkt 2.0 durch eine Kapazitätsreserve in Höhe von 4 Gigawatt zusätzlich abgesichert. Sie umfasst aber nur Kraftwerke, die nicht am Strommarkt teilnehmen und den Wettbewerb nicht verzerren. Diese Kraftwerke kommen nur dann zum Einsatz, wenn es trotz freier Preisbildung am Großhandelsmarkt wider Erwarten einmal nicht zur Deckung von Angebot und Nachfrage kommen sollte. Die Kapazitätsreserve steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Vereinbarungen der Regierungskoalition zur Weiterentwicklung der Energiewende und zum Erreichen der Klimaziele. Denn 2,7 Gigawatt der Kapazitätsreserve sollen von besonders klimaschädlichen Braunkohlekraftwerken gestellt werden, die ihre Schadstoffemissionen damit auf nahezu Null reduzieren.
"Wir haben uns für den Strommarkt 2.0 entschieden, damit Deutschlands Stromversorgung verlässlich und kostengünstig bleibt. Denn die Bürgerinnen und Bürger, der Mittelstand und die Industrie müssen sich darauf verlassen können, dass der Strom fließt, wenn sie ihn brauchen", sagte Rainer Baake, Staatssekretär im BMWi, bei der Präsentation des Weißbuchs. "Auch müssen sie sich darauf verlassen können, dass Strom bezahlbar ist und zu international wettbewerbsfähigen Strompreisen geliefert wird."
Auf Wetterabhängigkeit flexibel reagieren
Ein Schlüsselbegriff des Strommarkts 2.0 ist "Flexibilität". Auf die Wetterabhängigkeit der Erneuerbaren muss der Strommarkt flexibel reagieren können. Optionen dafür sind leistungsstarke Netze, moderne Kraftwerke, Kraft-Wärme-Kopplung, Lastenmanagement oder Speicher. Im Strommarkt 2.0 konkurrieren diese Optionen um die innovativsten und günstigsten Lösungen.
Staatssekretär Baake: "Der Strommarkt 2.0 gewährleistet Versorgungssicherheit, ist kostengünstiger als ein Kapazitätsmarkt, schafft Anreize für Innovationen und ermöglicht die Integration hoher Anteile erneuerbarer Energien. Außerdem fügt er sich ein in den europäischen Binnenmarkt."
Im Weißbuch werden 20 Maßnahmen benannt, mit denen der Strommarkt 2.0 umgesetzt werden soll. Neben dem bereits erwähnten Grundsatz der freien Preisbildung und der Einführung einer Kapazitätsreserve zählt dazu etwa ein fortlaufendes Monitoring, das anhand neuster Methoden überwacht, ob die Versorgung tatsächlich sicher ist. Zudem werden die Regelleistungsmärkte weiterentwickelt: Mehr Anbieter sollen Zugang zu ihnen bekommen, um den Wettbewerb auf diesen Märkten zu erhöhen und damit die Kosten zu senken.
Weißbuch ist Fundament für Gesetzgebung
Unmittelbar nach der parlamentarischen Sommerpause wird das BMWi mit allen relevanten Akteuren das Weißbuch diskutieren – im Rahmen der Plattform Strommarkt. Überdies können Stellungnahmen bis zum 24. August unter weissbuch-strommarkt@bmwi.bund.de abgegeben werden. Die im Weißbuch formulierten Maßnahmen werden ab Herbst gesetzlich umgesetzt. Im Oktober soll der Entwurf des Strommarktgesetzes im Kabinett beschlossen werden und das entsprechende Gesetzgebungsverfahren im Frühjahr 2016 abgeschlossen sein.