kontrovers
Brauchen wir eine verbindliche Zieltrias für Treibhausgasreduktion, Ausbau der erneuerbaren Energien und Energieeffizienz?

Zu dieser Frage äußern sich Dr. Eick von Ruschkowski, Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), und Dr. Sebastian Bolay, Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK).

PRO - Dr. Eick von Ruschkowski, NABU

Dr. Eick von Ruschkowski © NABU

Ohne Zieltrias kein Fortschritt
Die Wechselbeziehungen zwischen Klimaschutz, erneuerbaren Energien und Effizienz sind so eng, dass sie nur zusammen wirken können. Ohne verbindliche Ziele kommt der Ausbau der erneuerbaren Energien europaweit nicht voran, das gefährdet wiederum die Klimaziele. Erst mit den rechtsverbindlichen Vorgaben der Erneuerbare-Energien-Richtlinie hat der Ausbau der erneuerbaren Energien deutliche Fortschritte gemacht. Das Effizienzziel der EU für 2020 wird hingegen verfehlt, gerade weil es nicht rechtsverbindlich ist.

Ambitionierte Ziele wichtiger denn je
Was die EU-Kommission auf den Tisch gelegt hat, reicht bei weitem nicht aus. So werden nach EU-eigenen Angaben 25 Prozent Effizienz bis 2030 schon mit einem Treibhausgasziel von 40 Prozent erreicht. Damit würde die EU nicht einmal ein Fünftel des wirtschaftlich erschließbaren Effizienzpotenzials bis 2030 nutzen. Aus NABU-Sicht ist es für die EU daher wichtiger denn je, neben den Einsparungen von 55 Prozent Treibhausgasen auch den Anteil der erneuerbaren Energien auf mindestens 45 Prozent zu erhöhen und erstmals ein festes Ziel von 40 Prozent Energieeinsparung für das Jahr 2030 festzulegen, wie es das EU-Parlament ebenfalls fordert.

Nachhaltige Jobs und unabhängige Energieversorgung
Eine Zieltrias bietet nicht nur Planungs- und Investitionssicherheit für die Wirtschaft: Nur mit ihr können Deutschland und die EU ihre Führungspositionen bei der Entwicklung von Technologien für eine klimafreundliche Wirtschaft halten. Ehrgeizige Zielvorgaben wirken wie ein Konjunkturprogramm, das die Wirtschaft mittel- und langfristig stärkt, Jobs schafft und die Energieversorgung sichert, gerade auch im Hinblick auf die Ukraine-Krise. So verbrennt die EU jeden Tag buchstäblich eine Milliarde Euro für fossile Energieimporte, in Deutschland betragen die Kosten für Energieimporte pro Jahr 100 Milliarden Euro. Damit die EU ihre Energieversorgung langfristig sichern kann, müssen die Mitgliedstaaten deutlich stärker auf Effizienz und klimafreundliche Energieträger setzen, um ihre Abhängigkeit von Kohle- und Erdgasimporten zu verringern.

Weltklimaabkommen: Deutschland ist gefordert
Nachdem zuletzt die USA und China erkennen ließen, mehr für den Klimaschutz tun zu wollen, ist nun die Bundesregierung gefordert, sich bis zur Entscheidung über die EU 2030-Ziele auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs Ende Oktober für eine ambitionierte und verbindliche Zieltrias einzusetzen. Das ist das Gebot der Stunde, soll 2015 in Paris ein weltweit geltendes Klimaschutzabkommen beschlossen werden.

Dr. Eick von Ruschkowski ist Leiter des Fachbereiches Naturschutz und Umweltpolitik beim Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU).

CONTRA - Dr. Sebastian Bolay, DIHK

Sebastian Bolay © DIHK

Brauchen wir eine verbindliche Zieltrias für Treibhausgasreduktion, Ausbau der erneuerbaren Energien und Energieeffizienz? Die Antwort lautet eindeutig nein.

Beim Blick auf die Zieltrias fällt auf: Ein Ziel beinhaltet schon die anderen beiden. Um Treibhausgase zu reduzieren, ist es selbstverständlich auch notwendig, erneuerbare Energien weiter auszubauen und Energie einzusparen. Bei drei gleichberechtigten Zielen nebeneinander gibt es aber zahlreiche Wechselwirkungen, die die Zielerreichung unnötig teuer machen. So haben Fortschritte bei der Energieeffizienz oder beim Ausbau erneuerbarer Energien zwangsläufig Auswirkungen auf die Nachfrage und den CO2-Zertifikatspreis im Emissionshandel. Das ist neben der Wirtschaftskrise in Südeuropa der Hauptgrund, warum die Preise für Zertifikate derzeit im Keller sind. Diese Politik bis zum Jahr 2030 fortzusetzen, hieße, die negativen Beispiele der Vergangenheit zu ignorieren.

Zudem müssen wir uns fragen: Stellen wir uns mit drei gleichberechtigten Zielen bei der Energiewende in Zukunft nicht selbst ein Bein? In einem immer mehr auf fluktuierenden erneuerbaren Energien beruhenden Stromsystem kommt es zwangsläufig zu Angebotsüberschüssen. Gleichzeitig noch Strom einsparen zu wollen, würde die Überschüsse nur noch weiter erhöhen. Zudem ist erneuerbarer Strom CO2-frei. Mehr Stromverbrauch belastet daher die Klimaziele nicht. Im Stromsektor ist deshalb Flexibilität von Angebot UND Nachfrage die neue Effizienz. Ein Einsparziel ist überflüssig.

Unternehmen wissen selbst am besten, wie sie zum Klimaschutz beitragen können; ob Investitionen in Energieeffizienz oder erneuerbare Energien besser in ihre strategischen Planungen passen. Daher sollte es keine Doppelregulierung geben. Ein verbindliches Ziel für Treibhausgasreduktion stellt die Weichen auf Klimaschutz, lässt den Unternehmen aber Wahlfreiheit, mit welchen Maßnahmen sie zu diesem Ziel beitragen. Mit einem Ziel können auch die Wechselwirkungen zu anderen Zielen der EU zum Beispiel in den Bereichen Wachstum und Beschäftigung besser adressiert werden.

Dr. Sebastian Bolay ist Referatsleiter Strommarkt, Erneuerbare Energien und Energiepolitik beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK).

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