PRO: Stephan Kohler
© Deutsche Energie-Agentur (dena)
Die Energiewende wird nur gelingen, wenn Gebäude in Deutschland deutlich energieeffizienter werden. Allein die Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser macht rund 35 Prozent des gesamten deutschen Endenergieverbrauchs aus. Zugleich stellen hohe Energiekosten eine wachsende finanzielle Belastung für Eigentümer und Mieter von Gebäuden dar. Auch die Umwelt profitiert von mehr Effizienz durch eine massive Verringerung des CO2-Ausstoßes. Angesichts dieser Fakten verbietet sich ein „weiter wie bisher“.
Dass energetische Modernisierungen nicht nur erfolgreich umsetzbar, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sind, zeigt die dena-Wirtschaftlichkeitsstudie: So fallen bei der Modernisierung eines weitgehend unsanierten Gebäudes, das anschließend 30 Prozent weniger Energie verbraucht als ein Standardneubau (Effizienzhaus 70), pro eingesparte Kilowattstunde (kWh) Investitionskosten in Höhe von 7,1 Cent an. Demgegenüber steht ein durchschnittlicher Energiepreis von 8 Cent pro kWh. Dies bedeutet also, dass Eigentümer sanierungsbedürftiger Einfamilienhäuser die Mehrkosten für eine energetische Modernisierung zum Neubaustandard über die erzielte Endenergieeinsparung refinanzieren können.
Umfassende energetische Modernisierungen rechnen sich vor allem dann besonders schnell, wenn ohnehin Sanierungsbedarf besteht, zum Beispiel wenn eine Instandsetzung der Fassade fällig ist. Diese Anlässe sollten deshalb konsequent für energetische Optimierungsmaßnahmen genutzt werden.
Bei der Interpretation von Studien zur Wirtschaftlichkeit müssen Vergleiche sehr sauber geführt werden: Wichtig für die Wirtschaftlichkeit ist es, ohnehin anstehende Sanierungsmaßnahmen mit einer energetischen Sanierung zu verknüpfen, also z. B. beim Ausbessern und Streichen der Fassade oder beim Dachausbau gleich eine Wärmedämmung anzubringen. Die Mehrkosten dafür lassen sich dann wieder einsparen.
Und abschließend noch ein Exkurs zu dem Beitrag von Herrn Prof. Simons:
Eine sinnvolle Wirtschaftlichkeitsbetrachtung darf die erzielten Einsparungen nicht mit den Vollkosten vergleichen, sondern muss die energieeffizienzbedingten Mehrkosten betrachten, deshalb führen die Schlussfolgerungen von Hr. Prof. Simons in die Irre. Zunächst betragen die durchschnittlichen Kosten für Heizung und Warmwasser gemäß Betriebskostenspiegel des Mieterbunds tatsächlich 1,43 €/Quadratmeter (€/m²) im Monat - nicht 1,24 €/ m². Eine bei der Vollsanierung eines alten, energetisch schlechten Gebäudes durchaus realistische Endenergieeinsparung von 60 Prozent bringt damit eine Kostenreduktion von 0,86 €/m² im Monat bzw. 10,30 €/m² im Jahr – und dass ohne die Annahme zukünftiger Energiekostensteigerungen. Da neue Bauteile eine Lebensdauer von mindestens 25 Jahren haben, ist zudem der Betrachtungszeitraum einer Berechnung entsprechend zu wählen. Über 25 Jahre werden damit ca. 250 €/m² eingespart.
Laut der dena-Wirtschaftlichkeitsstudie liegen für Mehrfamilienhäuser die Vollkosten bei der Sanierung zur Erreichung des heutigen energetischen Standardniveaus im Neubau (KfW-Effizienzhaus 100) bei ca. 275 €/m². Darin enthalten sind ca. 195 €/m² für Sanierungsmaßnahmen, die aus technisch-baulichen Gründen in jedem Fall durchgeführt werden müssen. Auf weitere ca. 80 €/m² belaufen sich die sogenannten energieeffizienzbedingte Mehrkosten – also die Kosten, die ein Bauherr ausgibt, um eine bessere Energieeffizienz zu erzielen als unbedingt notwendig.
Unser Fazit: Wenn fachkundige Experten energetische Modernisierungen sinnvoll planen und hochwertig umsetzen, sind diese ein Gewinn für den Geldbeutel, für Klima und Umwelt, für das deutsche Energiesystem und nicht zuletzt für die Konjunktur.
Stephan Kohler ist Vorstand der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena).
CONTRA: Prof. Dr. Harald Simons
© privat
Laut Nebenkostenspiegel des deutschen Mieterbundes zahlen Mieter 1,24 Euro pro Quadratmeter (€/m²) und Monat für Warmwasser und Heizung. Angenommen durch eine energetische Sanierung ließen sich tatsächlich 60 Prozent der Betriebskosten einsparen, so wären dies 0,74 €/m² im Monat, 8,88 €/m² im Jahr oder über 15 Jahre gerechnet 133,20 €/m². Die Kosten für eine solche energetische Sanierung liegen bei Weitem höher. Von besonderen Einzelfällen abgesehen ist die energetische Sanierung unwirtschaftlich. Die eingesparten Energiekosten decken die Investitionskosten nicht.
Die Unwirtschaftlichkeit ist auch eine Folge der Kostenentwicklung der energetischen Sanierung. Seit 2000 sind laut Statistischem Bundesamt z.B. die Preise für Brennwertkessel um 49 Prozent gestiegen, ebenso für Wärmepumpen (+50 Prozent), Dämmschichten zum Boden (+49 Prozent) oder Rohrdämmung (+62 Prozent), jeweils inklusive Lieferung und Einbau. Dies ist weit mehr als die Baukosten insgesamt (+27 Prozent). Offensichtlich existiert ein spezifischer Preistreiber für energetische Sanierungen. Die Wirtschaftlichkeit der energetischen Sanierung sinkt beständig weiter.
Neben naheliegenden Ursachen wie einer steigenden Nachfrage, hoher Förderung und geringer Wettbewerbsintensität dürfte eine übertriebene Technisierung der energetischen Sanierung hier eine erhebliche Rolle spielen.
Bisher konzentrierten sich alle Beteiligten auf die Entwicklung immer neuer und nochmals leicht verbesserter Produkte mit dem Ziel, den Energieverbrauch immer weiter Richtung Null zu senken. Die Neuerungen wurden schließlich – durchaus verkaufsfördernd – nach kurzer Zeit zum jeweiligen Stand der Technik erklärt und in den entsprechenden Normen niedergeschrieben. Dabei gerieten aber die Kosten aus dem Blickfeld.
Diese Entwicklung führte in die heutige Sackgasse einer stagnierenden oder sogar sinkenden Sanierungsrate. Wenn eine nochmalige Verbesserung des Wirkungsgrades eines Brennwertkessels um 2 Prozent mit einer Preissteigerung von 49 Prozent einhergeht, sinkt die Wirtschaftlichkeit und dem eigentlichen Ziel des Klimaschutzes ist nicht gedient.
Notwendig ist jetzt eine Neuorientierung, nicht kleinere Korrekturen. Die energetische Sanierung des gesamten Gebäudebestandes wird nicht mit überteuerten Hightechprodukten gelingen, die zudem entsprechend ausgebildete Handwerker, Bauherren und Bewohner benötigen. Normale Wohnhäuser sind keine, werden keine und sollen keine Hightechwunder sein. Die Bundesregierung hat erfreulicherweise eine Expertenkommission eingesetzt, die diese Neuorientierung anstoßen soll. Hoffentlich ist sie erfolgreich.
Und abschließend noch eine Antwort auf den Beitrag von Herrn Kohler (dena):
Herr Kohler führt aus, dass bei energetisch weitgehend unsanierten Gebäuden, die zudem insgesamt sanierungsbedürftig sind, die energetische Sanierung wirtschaftlich sein kann. Dies kann richtig sein, insbesondere wenn zusätzlich angenommen wird, dass die Bewohner den in der DIN V 18599 festgeschriebenen aber absurd hohen Energiebedarf haben und zusätzlich die Sanierung problemlos verläuft. Also in besonderen Einzelfällen.
Eigentümer sollten auf der Hut sein, wenn ihnen versprochen wird, dass fachkundige Experten energetische Modernisierungen hochwertig umsetzen wollen und die Investition nicht nur wirtschaftlich sein soll, sondern auch dem Klima und der Umwelt, dem deutschen Energiesystem und der konjunkturtragenden Bauwirtschaft gleichzeitig dienen soll.
Prof. Dr. Harald Simons ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig sowie Mitglied des Vorstandes der empirica ag.