kontrovers
"Brauchen wir die vergleichsweise teure Offshore-Windenergie für die Energiewende?"

Zu dieser Frage äußern sich Jürgen Blume, Geschäftsführer von Iberdrola Renovables Offshore Deutschland GmbH, und René Mono, Geschäftsführer der 100 prozent erneuerbar stiftung.

Jürgen Blume

Portrait von Jürgen Blume, Geschäftsführer der Iberdrola Renovables Offshore Deutschland GmbH Jürgen Blume © Iberdrola Renovables Offshore Deutschland GmbH

Geschäftsführer der Iberdrola Renovables Offshore Deutschland GmbH:

"Offshore-Windenergie ist für das Gelingen der Energiewende und der Versorgungssicherheit unverzichtbar. Sie produziert sauber und vor allem zuverlässig Strom und kann nennenswert zur Unabhängigkeit von Brennstoffimporten beitragen. Ein Erneuerbare-Energien-Mix mit einem großen Anteil an Offshore-Windenergie ist langfristig sogar kostengünstiger als ein Verzicht auf diese Technologie.

Auf dem Wasser weht der Wind zuverlässig und vorhersehbar. Windenergieanlagen auf See liefern zu beinahe jeder Stunde eines Jahres Strom und erreichen vergleichbar hohe Betriebsstunden wie konventionelle Kraftwerke. Die Mindestwindgeschwindigkeit zum Betrieb der Windanlagen wird an mehr als 99 % der Zeit gleichzeitig in Nord- und Ostsee überschritten.

Die Technologie hat zudem sehr gute Kraftwerkseigenschaften. Die Anlagen können Regelleistung deutlich besser bereitstellen als andere fluktuierende Erneuerbare Energien. Mit einem hohen Anteil von Offshore-Windenergie von ca. 50 GW bei einem Onshore Windanteil von ca. 140GW kann sie einen optimalen Beitrag zur Stabilisierung des Stromsystems und zur Begrenzung der Systemkosten für Netzausbau, Ausgleichskraftwerke und Speicherung leisten.

In der Diskussion um die Vergütung von Offshore werden oftmals weder die Degression noch der gesamte Vergütungszeitraum berücksichtigt. Die Kosten für Strom aus Offshore-Windenergie können unter der Voraussetzung eines konsequenten Ausbaus in den nächsten zehn Jahren um rund ein Drittel gesenkt werden. Wenn diese Aspekte in die Diskussion mit einfließen, wird der Beitrag von Offshore-Wind zur Energiewende auf eine breitere Akzeptanz stoßen.

Neben der Bedeutung für den Klimaschutz und für die Frage der Brennstoffabhängigkeit sowie der damit verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten – so hat eine Studie des Fraunhofer Instituts IWES aufgezeigt – ist Offshore-Wind im künftigen Energiesystem ein Garant für Versorgungssicherheit, Systemqualität und günstige Gesamtkosten. Für die Gesamteffizienz des Energiesystems der Zukunft sind deshalb Technologien wie die der Offshore-Windenergie, die stabilisierend und ausgleichend wirken, entscheidend."

René Mono

Portrait von René Mono, Geschäftsführer der 100 prozent erneuerbar stiftung René Mono © 100 prozent erneuerbar stiftung

Geschäftsführer der 100 prozent erneuerbar stiftung:

"Die Idee, Energie auf hoher See zu erzeugen, mag für Großtechnik-Fans faszinierend sein. Nüchtern betrachtet sind die Probleme unübersehbar. Der Ausbau von Offshore-Wind ist bis auf weiteres das beste Mittel, um die Energiewende teuer zu machen. Doch das ist nicht das größte Problem. Bedeutsamer sind zwei andere Aspekte.

Das ist zum einen die Instabilität der Energieerzeugung. Zwar lässt sich offshore meist ein höherer Energieertrag und daher höhere Jahresvolllaststunden erzielen als an Land. Doch Offshore-Anlagen erzeugen mitnichten verlässlicher Energie als Anlagen an Land. Das Gegenteil ist der Fall. Offshore treten von einer Stunde auf die nächste sehr viel häufiger hohe Schwankungen auf als an Land. Im küstenferneren Binnenland, zum Beispiel in Nordthüringen, in Westfalen oder im Erzgebirge, windet es zwar auf einem niedrigeren Niveau, aber sehr viel stabiler als auf hoher See. Energiewirtschaftlich gesprochen: Die Leistungsgradienten von Offshore-Wind sind größer als bei Windenergie im Binnenland, zumal sich die Kapazitäten räumlich stärker konzentrieren. In einem Energiesystem, in dem die größte Herausforderung die Fluktuation von Wind und Sonne ist, bedeutet dies: Offshore-Wind ist systemunverträglicher als Onshore-Wind.

Das zweite Problem ist die Akzeptanz. Gesellschaftliche Akzeptanz setzt voraus, dass zwei Kriterien erfüllt sind. Der Sinn muss nachvollziehbar sein, und Projekte müssen als gerecht empfunden werden. Wenn ein Projekt in der Nähe der Betroffenen entsteht, ist Sinn leichter herstellbar, auch weil Bürgerbeteiligung möglich ist. Außerdem braucht es weniger Übertragungstrassen in den verbrauchsstarken Süden, wenn wir dezentral Strom erzeugen. Solange es die Alternative gibt, erneuerbare Energien verbrauchsnah auszubauen, werden die Betroffenen diese neuen Trassen immer als ungerecht empfinden.

Höhere Kosten, instabilere Erzeugung, größere Akzeptanzprobleme – aus diesen drei Gründen gefährdet Offshore den Erfolg der Energiewende."

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