kontrovers
"Halten Sie es für gerechtfertigt, dass energieintensive Unternehmen weiterhin bei der EEG-Umlage entlastet werden?"

Zu dieser Frage äußern sich Klaus Windhagen vom Verband Deutscher Papierfabriken (VDP) und Holger Krawinkel vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).

Klaus Windhagen

Portrait von Klaus Windhagen, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Papierfabriken e.V. Klaus Windhagen © VDP

Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Papierfabriken e.V. (VDP):

"Die Bundesregierung hat mit der europäischen Kommission einen Kompromiss ausgehandelt, der im Wesentlichen die Fortsetzung der Befreiung energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage ermöglicht. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat den Kompromiss und damit auch die Notwendigkeit der Entlastung für die Industrie zu Recht massiv verteidigt. Die öffentliche Diskussion über die angeblichen 'Industrierabatte' muss jedoch noch weiter versachlicht werden. Es steht industriepolitisch außer Frage, dass die energieintensiven Branchen in Deutschland ohne eine Entlastung bei der Finanzierung der erneuerbaren Energien europa- und weltweit massiv in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gefährdet wären.

Fakt ist: In keinem anderen Land müssen Industrie und Verbraucher finanziell für die Umsetzung eines vergleichbaren energiepolitischen Ziels aufkommen. Die Zusatzbelastungen machen Energie unter dem Strich in Deutschland deshalb deutlich teurer als in anderen Ländern. Energieintensive Branchen wie Baustoffe, Chemie, Glas, Nichteisenmetalle, Papier und Stahl könnten diese Belastungen nicht über ihre Produktpreise abwälzen, weil sie im harten internationalen Wettbewerb stehen.

Aus gutem Grund hatte die Bundesregierung deshalb bereits früh für diese Unternehmen Ausnahmeregelungen geschaffen, um den hohen Beschäftigungs- und Wertschöpfungsfaktor vor allem der energieintensiven Grundstoffindustrien nicht zu gefährden. Immerhin sind allein hier in Deutschland rund 830.000 Menschen beschäftigt. Deutschland ist bislang gut mit seiner Industrie gefahren. In der Finanzkrise 2009 war es der hohe Industrieanteil an der Wertschöpfung, der Deutschland vor größerem Schaden bewahrt und einen zügigen Wiederaufschwung befördert hat. Das darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. Wer die Energiewende will, muss sie bezahlen. Auch die Industrie leistet hier ihren Beitrag in Milliardenhöhe. Das industrielle Rückgrat Deutschlands und die damit verbundenen hunderttausende von Arbeitsplätzen dürfen jedoch nicht gefährdet werden."

Dr. Holger Krawinkel

Portrait von Dr. Holger Krawinkel, Mitglied der Geschäftsleitung beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Dr. Holger Krawinkel © Raufeld, Gerd Metzner / vzbv

Mitglied der Geschäftsleitung, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv):

"Richtig ist, dass die Industrie insgesamt wieder stärker die Kosten der Energiewende zu tragen hat. Momentan werden die privaten Stromkunden überproportional belastet. Sie zahlen 8,7 Milliarden Euro EEG-Umlage im Jahr 2014, während der Finanzierungsbeitrag der Industrie mit ihrem wesentlich höheren Stromverbrauch etwa 6,1 Milliarden Euro beträgt. Mit der letzten Erweiterung der 'Besonderen Ausgleichsregelung' wurden ab Januar 2012 die Privilegien für Unternehmen zu weit gefasst. Immer mehr Betriebe haben daher Ausnahmen beantragt. Auch dadurch stieg die EEG-Umlage weiter an und es sind vor allem die Geringverdiener, die von weiteren Strompreissteigerungen betroffen sind.

Darum haben wir gefordert, die letzte Absenkung der Freistellungs-Grenze von 2012 wieder zurückzunehmen und die privaten Verbraucher, den Mittelstand und das Gewerbe dadurch um etwa 1 Milliarde Euro zu entlasten. Dies war auch Ziel und Versprechen der Politik, von Altmaier über Steinbrück bis zu Gabriel. Anders verhält es sich bei energieintensiven Produktionsprozessen: Deren Stromkosten muss man abfedern, wenn es sich um Industrieunternehmen handelt, die im internationalen Wettbewerb mit Standorten stehen, wo Strom viel günstiger bezogen werden kann. Solche Unternehmen könnten in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, wenn sie die volle Umlage nach dem EEG bezahlen müssten. Es ist nicht im Interesse der privaten Stromkunden, wenn wegen hoher Stromkosten Betriebe ins Ausland abwandern und Arbeitsplätze verloren gehen.

Die Privilegien noch weiter auszudehnen, wie es die neue EU-Beihilfe-Richtlinie ermöglicht, kann aus Verbrauchersicht nicht akzeptiert werden. Würde der EU-Rahmen voll ausgeschöpft, könnte der Industriebeitrag um weitere 2,5 Milliarden Euro sinken. Durch wäre bei privaten Haushalten und allen ‚Nicht-Privilegierten‘ die Akzeptanz der Energiewende nachhaltig gefährdet."

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