Energieforschung
Wärme von Acker © TU Dresden / Doppelacker

Wärme vom Acker

Im Forschungsvorhaben KollWeb 4.0 wird erprobt, wie landwirtschaftlich genutzte Flächen thermisch als Bodenkollektoren genutzt werden können. Drei Orte in Deutschland profitieren bereits davon.

Auf den ersten Blick wirkt der im Forschungsvorhaben KollWeb 4.0 an der TU Dresden entwickelte Spezialpflug wie eine ganz normale Landmaschine. Doch unter der Oberfläche leistet die Verlegemaschine für Bodenkollektoren einen innovativen Beitrag zur Energiewende. Denn sie legt den Grundstein, oder besser die Rohleistungen für sogenannte Agrothermie, also Wärme, die auf landwirtschaftlichen Flächen „geerntet“ wird. Sie kann Kaltwärmenetze und damit ganze Siedlungen mit Energie versorgen.

Koordiniert wird das Projekt durch das auf Niedrigtemperaturversorgungsanlagen spezialisierte Ingenieurunternehmen Doppelacker GmbH aus Petershagen (Brandenburg). Erklärtes Ziel des Vorhabens ist die technisch und wirtschaftlich effiziente Gewinnung oberflächennaher geothermischer Energie zur netzgebundenen Niedrigtemperaturversorgung. Dafür werden einerseits die Technologien und andererseits das Maschinensystem zur Kollektorverlegung entwickelt.

9,2 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen würden ausreichen

Gerade mit Blick auf die kommunale Wärmeplanung sorgt das im Energieforschungsprogramm der Bundesregierung geförderte Technologie-Projekt deshalb für viel Interesse. Würden nur 9,2 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland für die Erdwärmegewinnung genutzt, könnte das den Heizungs- und Warmwasserbedarf aller privaten Haushalte decken (2021: 615 Milliarden Kilowattstunden, laut Statistischem Bundesamt).

In Referenzanlagen in Wüstenrot (seit 2012 in Betrieb), Neumarkt (seit 2015 in Betrieb) und Coswig (seit 2020 in Betrieb) sorgt die Wärme vom Acker via Kaltwärmenetz bereits für angenehme Temperaturen und warmes Wasser.

Um die landwirtschaftlichen Flächen thermisch als Bodenkollektoren zu erschließen, werden Rohrleitungen in einem Abstand von 0,5 bis einem Meter parallel in rund zwei Metern Tiefe mit dem Spezialpflug verlegt. So bleiben die Bodenschichten erhalten und die Leitungen befinden sich weit unter dem Wurzelhorizont der Pflanzen. Die Landwirte büßen also keine Ernte ein und können unmittelbar auf den nun doppelt genutzten Äckern weiterarbeiten. Ein Teil des Entgelts für die Niedertemperaturwärme aus dem Acker ist ein zusätzliches Einkommen für sie. Durch den Einsatz in geringer Tiefe stand die Wärmegewinnung mit Erdkollektoren bisher oft in Konkurrenz zu anderen Bodennutzungsformen und wurde deshalb hauptsächlich auf kleinen und ungenutzten Flächen umgesetzt.

So wird die gewonnene Wärme verteilt und genutzt

Die mit den Kollektoren gewonnene Wärme wird anschließend in ein "Kaltes Wärmenetz" eingespeist und weiterverteilt. "Kalt" bezeichnet dabei die im Vergleich zu tieferen Erdschichten ganzjährig niedrigen Temperaturen zwischen fünf und 15 Grad Celsius.

Erst bei den Verbrauchern - etwa Neubausiedlungen nahe der Ackerflächen - wird die gewonnene Energie mithilfe von Wärmepumpen schließlich auf das benötigte Temperaturniveau angehoben und beispielsweise zum Heizen von Gebäuden oder für die Warmwasserbereitung genutzt. Dank der niedrigen Temperaturen kann das System direkt oder mithilfe von Kältemaschinen auch zum Kühlen verwendet werden. Durch die gleichzeitige Nutzung von Wärme und Kälte lässt sich die Effizienz von Wärmepumpen und Kältemaschinen zusätzlich steigern.

Während konventionelle Wärmenetze meist Abwärme mit hoher Temperatur aus der Stromproduktion liefern und dabei Energie auf den kilometerlangen Strecken einbüßen, stellen die Kaltwärmenetze ganzjährig die über Agrothermiekollektoren gewonnene Erdwärme zur Verfügung. Und die kann überall in Deutschland unabhängig und lokal gewonnen werden. Das erdgekoppelte Heizen und Kühlen mit einem Netz schafft außerdem eine qualitative Alleinstellung zu anderen Wärmenetzsystemen.

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