Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck © BMWK

Habeck: Tempo beim Klimaschutz verdreifachen

Die Eröffnungsbilanz zum Klimaschutz von Bundesminister Robert Habeck zeigt, wie sehr der Klimaschutz in Deutschland hinter den Erwartungen liegt. Sofortmaßnamen in allen Bereichen sollen das Land wieder auf Zielkurs bringen.

„Wir starten mit einem drastischen Rückstand“. Der neue Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck legt gleich zu Beginn der Pressekonferenz mit Staatssekretär Patrick Graichen seinen Finger in die Wunde der deutschen Klimapolitik. Auf einer extra groß ausgedruckten Schautafel fährt er die Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland mit den Händen nach. Wenn es so weiter gehe wie bisher, sagt Habeck, werde Deutschland seinen Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2030 nur um 50 anstatt der angestrebten 65 Prozent reduzieren können. „Wir müssen die Geschwindigkeit der Emissionsminderung verdreifachen, um die Klimaziele noch zu erreichen“, resümiert der Minister.

Während seiner Rede wird schnell klar: Die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen sind in allen Sektoren unzureichend. Auch der Ausbau der Erneuerbaren geht zu langsam voran. Es sei absehbar, sagt Habeck, dass auch die Klimaziele für die Jahre 2022 und 2023 nicht erreicht werden können.

Dann fasst der Minister die Aufbruchsstimmung der neuen Bundesregierung in Sachen Klimaschutz und Energiewende in eindringliche Worte: „Aber wir unternehmen alle Anstrengungen, um den Rückstand wettzumachen“, betont er und erklärt: „Hierzu müssen wir deutlich mehr in weniger Zeit tun. Wir wollen bis 2045 klimaneutral werden und bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energien auf 80 Prozent steigern.“

Um Emissionsminderungen und Erneuerbaren-Ausbau zu beschleunigen, kündigte der Minister zwei Klimaschutz-Pakete mit Sofortmaßnahmen an, eines bis Ende April, das zweite für den Sommer. Vorab ein Auszug der wichtigsten Maßnahmen:

80 Prozent erneuerbare Stromerzeugung bis 2030

Mit der EEG-Novelle sollen die Ausschreibungsmengen im EEG erhöht werden, um die Weichen für 80 Prozent erneuerbare Stromerzeugung bis 2030 zu stellen. Dazu wird ein Bruttostromverbrauch in der Mitte des Korridors aus dem Koalitionsvertrag (680 bis 750 Terawattstunden) angenommen, nämlich 715 Terawattstunden (TWh). Es soll der Grundsatz verankert werden, dass der Erneuerbaren-Ausbau im überragenden öffentlichen Interesse ist und der öffentlichen Sicherheit dient.

Solarbeschleunigungspaket soll kräftigen Schub bringen

Auch für die Solarenergie ist ein kräftiger Schub geplant. Das angekündigte Solarbeschleunigungspaket enthält viele Einzelmaßnahmen, darunter die Verbesserung der Festvergütung bei Photovoltaik (PV)-Dachanlagen, die Anhebung der Ausschreibungsschwellen auf ein Megawatt (MW), die Erweiterung der nutzbaren Flächen für Freiflächenanlagen, die gleichzeitige Nutzung von Flächen durch PV und Landwirtschaft sowie PV auf wiedervernässten Mooren und die Stärkung von Bürgerenergieprojekten. Zudem sollen bei gewerblichen Neubauten Solardächer verpflichtend werden.

Neue Flächen für die Windenergie

Zwei Prozent der Landesfläche sollen mit dem „Wind-an-Land“-Gesetz künftig für die Windenergie reserviert werden und damit den Ausbau beschleunigen. Die Abstände zu Drehfunkfeuern und Wetterradaren sollen reduziert werden und so Platz für mehr Windenergieanlagen schaffen. Auch militärische Flächen könnten künftig für Wind an Land genutzt werden. Windenergieausbau und Artenschutz sollen besser vereinbar und die Voraussetzungen für zügigere Planungs- und Genehmigungsverfahren geschaffen werden.

Maßnahmen zur Senkung des Strompreises

Erneuerbarer Strom muss auch zukünftig bezahlbar bleiben, vor allem im Vergleich zu fossilen Energieträgern. Damit Wärmepumpen und E-Mobilität attraktiver werden und die Sektorkopplung vorankommt, soll die EEG-Umlage ab 2023 über den Bundeshaushalt finanziert werden und so Verbraucherinnen und Verbraucher bei den Stromkosten entlasten. Mit den Änderungen bei der EEG-Umlage will die neue Bundesregierung die an die sogenannte „Besondere Ausgleichsregelung“ gekoppelten Umlagen (KWKG-, Offshore-Netzumlage) in ein eigenes Gesetz überführen und so für die Industrie eine verlässliche und planbare Rechtsgrundlage bei den genannten Umlagen schaffen.

Klimaschutzdifferenzverträge mit der Industrie

Klimaschutzdifferenzverträge, auch Carbon Contracts for Difference (CCfD) genannt, sollen der Industrie den Einstieg in klimaneutrale Produktionsverfahren erleichtern. Die Verträge gleichen die Differenz aus, die sich zwischen den tatsächlichen Kosten eines klimaneutralen Produktionsverfahrens im Vergleich zu einer herkömmlichen Technologie (abzüglich der Kosten für CO2-Zertifikate) ergibt. Dadurch werden treibhausgasneutrale Produktionsverfahren schneller wirtschaftlich und Kosten planbarer. Mit den passenden rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen sind Klimaschutzdifferenzverträge das zentrale Instrument zur Dekarbonisierung der Industrie.

50 Prozent klimaneutrale Wärme bis 2030

Mindestens 50 Prozent klimaneutrale Wärme bis 2030 und eine Steigerung der Energieeffizienz sollen in der Wärmeversorgung erreicht werden. Eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung und der klimafreundliche Um- und Ausbau der Wärmenetze könnten den Klimaschutz im Gebäudesektor deutlich voranbringen. Unterstützen kann das die neue Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW). Unmittelbar nach der beihilferechtlichen Genehmigung soll sie in Kraft gesetzt und ihre Finanzierung aufgestockt werden. Um die Energie- und Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen, ist auch eine „Gebäudestrategie Klimaneutralität“ geplant.

Anpassungen bei Gebäudestandards und Förderung

Eine zügige Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes (gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen) soll verlässliche Planungsgrundlagen für Investitionen schaffen. Ab 2025 muss laut Koalitionsvertrag jede neu eingebaute Heizung auf Basis von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden. Zusätzlich werden die energetischen Anforderungen an Neubauten erhöht. Auch die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) wird angepasst und stützt dann die neuen Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes.

Wasserstoffstrategie

Die Produktionskapazität für Wasserstoff in Deutschland soll bis 2030 doppelt so hoch sein wie bisher geplant und bei zehn statt fünf Gigawatt liegen. Dazu muss die Nationale Wasserstoffstrategie noch in diesem Jahr überarbeitet und durch zusätzliche Förderprogramme unterstützt werden.

Alle für den Start der angekündigten Sofortmaßnahmen notwendigen Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen sollen bis Ende 2022 abgeschlossen werden. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck macht deutlich: „Das alles ist eine Mammut-Aufgabe. Und es wird einige Jahre dauern, bis wir die Erfolge sehen werden. Aber das, was wir jetzt machen, legt die Grundlage dafür, Klimaschutz und Wohlstand zusammenzubringen.“

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