Deutschland verschärft seine Klimaschutzpolitik
Bis tief in die Nacht brannte in den vergangenen Wochen das Licht in vielen Büros von Mitgliedern des Bundeskabinetts. An den Schreibtischen wurde an den Einzelheiten eines geänderten Bundes-Klimaschutzgesetzes gearbeitet. Erst Ende April hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil erklärt, das in dem Gesetz von 2019 ausreichende Vorgaben für die Emissionsminderung ab 2031 fehlten. Eineinhalb Jahre Zeit hatten die Karlsruher Richter der Bundesregierung gegeben, um das ursprüngliche Klimaschutzgesetz noch einmal zu überarbeiten. Schon am 12. Mai konnte das Bundeskabinett das neue Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen. Bundeswirtschaftsminister Altmaier nannte es einen Meilenstein der deutschen Klimaschutzpolitik.
Deutschland setzt als erster EU-Staat die neuen europäischen Klimaziele um
Mit dem Gesetzesentwurf setzt sich Deutschland das Ziel, bereits bis 2045 - und damit fünf Jahre früher als ursprünglich beschlossen - klimaneutral zu werden. Bis zum Jahr 2030 sollen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 nun um 65 Prozent sinken (bisher 55 Prozent). Bis 2040 sieht das geänderte Gesetz eine Minderung um 88 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr vor. So soll die große Aufgabe, Treibhausgasemissionen zu reduzieren, gerechter zwischen den Generationen verteilt werden.
Mit den verschärften Zielen möchte Deutschland nicht nur die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, sondern vor allem auch als erster EU-Staat die neuen europäischen Klimaziele umsetzen, die im vergangenen Jahr unter deutscher Ratspräsidentschaft beschlossen wurden.
„Mit dem heute im Kabinett beschlossenen neuen Klimaschutzgesetz stellen wir die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung auf eine neue, auf eine ambitioniertere Grundlage. Wir beschreiten so die Brücke in ein klimaneutrales Zeitalter“, sagte Bundeswirtschaftsminister Altmaier dazu in einem Pressestatement.
Konkrete Jahresemissionsmengen für die einzelnen Wirtschaftsbranchen: Energie- und Industriesektor am stärksten gefordert
Die jetzt beschlossenen Regelungen sollen auch Planungssicherheit für Industrie und Wirtschaft bringen. Sie enthalten konkrete Jahresemissionsmengen für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft. Vor allem der Energiesektor und die Industrie sollen die Bilanz ihrer Treibhausgasemissionen demnach deutlich verbessern, um das Klimaziel für 2030 erreichen zu können. Ändern sich die EU-Vorgaben nach Abschluss der Verhandlungen zum "Fit-for-55"-Paket (voraussichtlich Ende 2022), kann die Bundesregierung die 2030-Ziele für die einzelnen Sektoren abändern. Das Paket soll den EU-Klima- und Energierahmen an die Zielsetzungen des Green Deal ausrichten.
Zusammen mit dem Gesetzesentwurf hat das Kabinett auch ein zwischen den Bundesministerien abgestimmtes Eckpunktepapier für einen "Klimapakt Deutschland" beschlossen. Es legt erste Schwerpunkte für ein zu erarbeitendes Sofortprogramm fest. Dafür sollen im Haushaltsaufstellungsverfahren für 2022 bis zu acht Milliarden Euro für Investitionen in den verschiedenen Sektoren zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Besonders im Fokus stehen dabei ein Investitionspakt mit der Industrie für "klimafreundliche Produktion in Deutschland" und ein beschleunigter Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft.
"Deutschland soll auch in den nächsten Jahrzehnten eine erfolgreiche Wirtschaftsnation mit anspruchsvollen Klimaschutzzielen bleiben", betonte der Bundeswirtschaftsminister dazu im Kabinett. "Dabei müssen wir die Wirtschaft unterstützen und bereit sein, die nötigen Mittel bereitzustellen, damit die Transformation gelingt. Wir können und müssen zeigen, dass Klimaschutz und Wirtschaft kein Widerspruch, sondern zwei Seiten einer Medaille sind". Um die Klimaziele zu erreichen, soll Deutschland langfristig auch auf bewährte marktwirtschaftliche Instrumente auf nationaler und europäischer Ebene setzen, wie zum Beispiel die CO2-Bepreisung.
Entlastungen für Mieter beim Strompreis
Auch die Mieterinnen und Mieter sollen von dem geänderten Klimaschutzgesetz profitieren. Ein begleitender Beschluss sieht Entlastungen für sie beim Strompreis vor: Vermieterinnen und Vermieter sollen künftig die Hälfte der Kosten für den seit Januar 2021 geltenden CO2-Preis auf Öl und Gas tragen. Mit dem geänderten Klimaschutzgesetz soll der Weg zur Klimaneutralität unumkehrbar und transparenter werden. Bundestag und Bundesrat müssen dem Gesetzesentwurf noch zustimmen.