Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und Sektorkopplung XXL
Die Voraussetzungen an der Westküste des norddeutschen Bundeslandes sind dafür ideal: Jede Menge Windenergie trifft auf sehr gute geologische Speicherbedingungen. Innovative Unternehmen vor Ort sind Treiber des Projekts. Sie wollen die Energiezukunft mitgestalten und einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten.
Clever nutzen: Neue Ideen für Windenergie
Wenn an sonnen- und windreichen Tagen Windräder und Photovoltaikanlagen große Mengen klimafreundlichen Strom produzieren, reichen die Kapazitäten unserer Stromnetze nicht immer aus, um die gesamte Energie aufzunehmen. Um die Netze nicht zu überlasten, müssen Windräder dann bei besten Windverhältnissen die Flügel hängen lassen. Sie werden abgeschaltet und wertvolle Energie bleibt ungenutzt. Damit sich das ändert, haben Forscherinnen und Forscher Alternativen entwickelt, um mithilfe der bestehenden Anlagen so viel Wind- und Sonnenenergie wie möglich nutzen zu können. Eine Option sind sogenannte Power-to-Gas-Verfahren. Wind- und Sonnenenergie wird dabei genutzt, um Gas zu produzieren, zum Beispiel Wasserstoff. Die Energie wird somit gewandelt. Der Wasserstoff kann anschließend unter anderem für industrielle Prozesse genutzt oder ins Erdgas-Netz eingespeist werden. Das Stromnetz wird so entlastet.
Wasserstoff: Hoffnungsträger der Energiewende
Wasserstoff gilt als vielseitiger Energieträger und Hoffnungsträger der Energiewende. Denn wenn mehr Wasserstoff mit Hilfe von erneuerbarer Energie erzeugt wird, kann das dazu beitragen, dass weniger fossile Energieträger wie Kohle und Öl benötigt werden. Besonders spannend ist das überall dort, wo viel Energie verbraucht wird, zum Beispiel in der Industrie. In vielen verschiedenen Projekten wollen Forscherinnen und Forscher herauszufinden, wie Wasserstoff optimal erzeugt, gespeichert, transportiert und genutzt werden kann.
Auch im Forschungsprojekt Westküste100 will ein knappes Dutzend Partner all das erforschen. Das Vorhaben gehört zu den vielbeachteten Reallaboren der Energiewende und war als erstes Reallabor mit Fokus auf Wasserstofftechnologien am 1. August 2020 gestartet. Reallabore tragen als Förderformat des 7. Energieforschungsprogramms der Bundesregierung dazu bei, dass neue Technologien und Lösungen für die Energiewende unter realen Einsatzbedingungen und im industriellen Maßstab getestet werden können. So soll der Transfer von Innovationen aus der Wissenschaft in den Markt beschleunigt werden.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zum Start von Westküste100: „Hochinnovative Pionierprojekte wie das Reallabor Westküste100 helfen uns, die Technologieführerschaft für das Thema Wasserstoff zu übernehmen. Das ist gut für die Region Westküste in Schleswig-Holstein und für den Technologiestandort Deutschland.“
Erkenntnisse aus Forschungsprojekten wie Westküste100 sollen helfen, unser Energiesystem und den Industriesektor zu dekarbonisieren, also etwa den Treibhausgasausstoß zu verringern und in der Folge klimafreundlicher zu werden. Im Fokus des Projekts stehen die nachhaltige Erzeugung von Wasserstoff und die Erforschung von Speicher- und Transporttechnologien für Wasserstoff - samt Erprobung im industriellen Maßstab.
Von Autohof bis Zementwerk – Wasserstoff dank Sektorkopplung im breiten Einsatz
Dafür erzeugt Westküste100 den besonders klimafreundlichen grünen Wasserstoff durch Elektrolyse. Die Energie für dieses chemische Herstellungsverfahren liefern Offshore-Windenergieanlagen. In der Raffinerie Heide wird ein integriertes 30-Megawatt-Elektrolysesystem aufgebaut, das Wasser in seine elementaren Bestandteile zerlegt - Wasserstoff und Sauerstoff. Die entstehende Abwärme (auch Prozesswärme genannt) wird in einem bestehenden und weiter ausgebauten Wärmenetz ausgekoppelt und kann beispielsweise in einem Gewerbepark genutzt werden. Der Wasserstoff wird in das Gasnetz eingespeist oder für die Herstellung von Methanol verwendet.
Der Sauerstoff, der bei der Elektrolyse entsteht, soll auch einen Beitrag zur Umweltfreundlichkeit leisten: Ein Forschungsteam im Zementwerk Lägerdorf untersucht, wie die Emissionen, die in einem Ofen bei der Herstellung von Klinkern entstehen, mithilfe von Sauerstoff reduziert werden können. Auch das Kohlenstoffdioxid (CO2) das bei Verbrennungsprozessen nicht zu 100 Prozent vermeidbar ist, soll genutzt werden: Im ersten Schritt wird dafür die Entstehung so weit wie möglich gesenkt. Im zweiten Schritt ist das restliche Kohlenstoffdioxid als Rohstoff nutzbar. Die Idee: Unvermeidbares CO2 aus der regionalen Zementproduktion könnte so genutzt werden, um synthetische Kohlenwasserstoffe herzustellen.
Öko-Treibstoff für Flugzeuge und Dekarbonisierung der Zementindustrie
Das kann etwa der chemische Grundstoff Methanol sein oder synthetischer Öko-Treibstoff für Flugzeuge – ein großer Schritt für die Dekarbonisierung der Zementindustrie und der Luftfahrt. Im Reallabor Westküste100 geht aber auch der Wasserstoff auf Reisen. Ein Modellnetz transportiert den Wasserstoff von einem Zwischenspeicher über eine Wasserstoff-Pipeline zu einem Autohof und den Stadtwerken Heide. Die Partner von Westküste100 erforschen auch, wie Wasserstoff optimal unterirdisch gespeichert und transportiert werden kann. Dafür wird der Wasserstoff in einen Teil eines bestehenden Erdgasnetzes eingespeist.
Elf Partner beteiligen sich in Norddeutschland neben dem Koordinator Raffinerie Heide an dem Wasserstoff-Forschungsprojekt: Hynamics Deutschland, Holcim Deutschland, Open Grid Europe, Ørsted, Stadtwerke Heide, thyssenkrupp Industrial Solutions, H2 Westküste, Thüga sowie die Entwicklungsagentur Region Heide und die Fachhochschule Westküste. Das BMWi fördert das Projekt mit 37 Millionen Euro.