Energiepolitik
Stromleitungen vor blauem Himmel. © AdobeStock / Gina Sanders

Aktionsplan für den grenzübergreifenden Stromhandel

Europas Strommärkte wachsen zusammen. Bis Ende 2025 sollen deshalb die grenzübergreifenden Stromleitungen zu 70 Prozent für den internationalen Stromhandel freigegeben werden. Wie Deutschland das möglich macht, zeigt der Aktionsplan Gebotszone.

Längst ist Deutschland eine Drehscheibe für den europäischen Stromhandel. Mit dem Zusammenwachsen der Strommärkte wächst auch der Transportbedarf in unserem Stromnetz. Laut der neuen EU-Strommarkt-Verordnung sollten deshalb schon zum 1. Januar 2020 die grenzübergreifenden Stromleitungen zu mindestens 70 Prozent für den grenzüberschreitenden Stromhandel geöffnet werden. Für die meisten Stromgrenzen zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern wäre das ein sprunghafter Anstieg. Er würde für erhebliche Engpässe im innerdeutschen Stromnetz sorgen, sagen die deutschen Übertragungsnetzbetreiber. Unser Stromnetz wäre also zu sehr belastet. Die Grenzen zu den Niederlanden, Frankreich und Österreich sind deshalb aktuell zum Beispiel nur zu etwa 20 Prozent geöffnet. Ähnlich geht es auch anderen europäischen Nachbarn. Die osteuropäischen Länder liegen nach Angaben der Übertragungsnetzbetreiber bei 11,5 Prozent Öffnung, Schweden dagegen bereits bei 41 Prozent. Dänemark erreicht teilweise schon heute die geforderten 70 Prozent.

Aktionspläne sichern eine Übergangsfrist bis Ende 2025

Aufgrund dieser Herausforderungen für das Stromnetz gewährt die EU-Verordnung jedem Mitgliedstaat eine Übergangsfrist bei der Ausweitung des Stromhandels. Die Bedingung: Die Länder müssen einen sogenannten Aktionsplan vorlegen. Der Plan muss konkrete Maßnahmen enthalten, mit denen die Netzengpässe verringert werden können. Wird ein Aktionsplan vorgelegt, soll der Wert schrittweise ansteigen. Spätestens zum 31. Dezember 2025 jedoch muss der Zielwert von 70 Prozent erreicht werden. Unter anderen die Niederlande, Polen und Deutschland haben sich für einen solchen Aktionsplan entschieden. Deutschland hat seinen Aktionsplan Gebotszone Ende 2019 an die Europäische Kommission und den Verband der europäischen Regulierer (Agency for the Cooperation of Energy Regulators – ACER) übermittelt. Viele andere Länder stellt die Grenzöffnung ebenfalls vor Herausforderungen: Sie wollen befristete Ausnahmen bei den Handelskapazitäten beantragen. Deutschland plant das nicht. Der deutsche Aktionsplan beinhaltet konkrete Maßnahmen, die das Stromnetz für die gesteigerte Transportaufgabe fit machen sollen und dazugehörige Zeitpläne. Er enthält nationale Maßnahmen und regionale Initiativen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.

Übertragungsnetze sollen gestärkt und ausgebaut werden

Herzstück des Plans sind zahlreiche Maßnahmen zur Verringerung der Netzengpässe und zur Verbesserung des sogenannten Redispatch. Ein zentraler Punkt: Die Stärkung und Höherauslastung der Übertragungsnetze. Nicht nur ein beschleunigter Netzausbau, auch die Optimierung der vorhandenen Netze spielt dabei eine große Rolle. Es sollen zum Beispiel sogenannte Phasenscheiber zum Einsatz kommen, um die Stromflüsse im Netz besser zu steuern und damit die gesamte Transportkapazität zu steigern.

Der Aktionsplan Gebotszone setzt auch auf einen witterungsabhängigen Betrieb von Freileitungen. Der Hintergrund: Die Übertragungskapazität von Freileitungen wird durch die maximale Betriebstemperatur des Leiterseils begrenzt. Sie hängt vor allem vom Stromfluss und von den klimatischen Bedingungen ab. Eine genaue Erfassung der Umgebungstemperaturen und der Wind-Anströmung einzelner Leitungen soll helfen, den maximal zulässigen Stromfluss zu ermitteln und so die Leitungen insgesamt höher auszulasten. Auch die Nutzung von Hochtemperatur-Leiterseilen macht eine Höherauslastung des Bestandsnetzes möglich.

Verbrauch und Erzeugung sollen besser abgeglichen werden

Um das Engpassmanagement zu verbessern, soll der Redispatch effizienter werden. Erzeugung und Netze sollen zukünftig besser aufeinander abgestimmt werden - zum Beispiel beim Ausbau der erneuerbaren Energien: Windkraftanlagen sollen demnach vermehrt in Süddeutschland entstehen. Auch bei der Abschaltung der Kohlekraftwerke wird die Auswirkung auf den Stromtransportbedarf berücksichtigt. Im Zweifelsfall dürfen netzrelevante Kraftwerke nicht vollständig abgeschaltet bleiben, sondern müssen als Reservekraftwerke zur Verfügung stehen.

Im zweiten Teil erklärt der Aktionsplan die Grundsätze zur Berechnung der Startwerte für die sogenannten Mindesthandelskapazitäten. Sie sind die Basis für den schrittweisen Anstieg auf 70 Prozent. Die Bundesnetzagentur hat mit umfassenden Untersuchungen (Monitoring) ein Auge darauf, dass die Übertragungsnetzbetreiber die Vorgaben zur Vergabe von Kapazitäten für den grenzübergreifenden Stromtransport auch lückenlos umsetzen.

Einheitliche Gebotszone soll bestehen bleiben

Das übergreifende Ziel des Aktionsplans Gebotszone ist der Erhalt einer einheitlichen deutschen Gebotszone und die Stärkung des grenzübergreifenden Stromhandels. Der Hintergrund: Europa ist in mehrere Strommarktgebiete unterteilt. Im Fachjargon heißen diese Zonen auch "Preiszonen" oder "Gebotszonen". In ihnen gilt ein für alle einheitlicher Strompreis. Eine einheitliche Gebotszone ermöglicht es, geografische Ausgleicheffekte bei Erzeugung und Verbrauch zu nutzen. Nicht nur große sondern auch kleine innovative Anbieter haben durch eine einheitliche Gebotszone leichten Zugang zum Strommarkt. Untersuchungen der Übertragungsnetzbetreiber zeigen außerdem, dass die Engpässe innerhalb Deutschlands über das gesamte Übertragungsnetz verteilt sind und somit - anders als in anderen Ländern - keine klaren geografischen Grenzen für verschiedene Gebotszonen liefern.

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