Sicherer und bezahlbarer: Bundesregierung macht Energiewende fit für die Zukunft
Am 5. November 2018 hat die Bundesregierung den Entwurf zum sogenannten Energiesammelgesetz beschlossen. Das Gesetz soll dazu dienen, wichtige Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen – allen voran den zielstrebigen, effizienten und marktorientierten Ausbau der erneuerbaren Energien. Deshalb wird es zusätzlich zu den schon bislang geplanten Ausschreibungen für Windenergie an Land und Photovoltaik (PV) Sonderausschreibungen geben, um den Ausbau zu beschleunigen. So werden beispielsweise 2019 für Wind an Land 3,8 statt 2,8 Gigawatt (GW) ausgeschrieben, bei PV sind es 1,6 statt 0,6 GW. Insgesamt beträgt die Erhöhung des Ausschreibungsvolumens für beide Technologien jeweils 4 GW über einen Zeitraum von drei Jahren.
Genau genommen muss von den genannten Ausschreibungsvolumina noch ein kleiner Betrag abgezogen werden. Grund ist eine weitere Neuerung, die sich aus dem Energiesammelgesetz ergibt: die Innovationsausschreibungen. Damit sollen neue Preisgestaltungsmechanismen und Ausschreibungsverfahren erprobt werden – zum Beispiel andere Formen, um die Stromerzeugung aus Erneuerbaren zu vergüten, oder Maßnahmen, die mehr Wettbewerb sicherstellen oder besonders netz- und systemdienlich sind. Diese Ausschreibungen sollen technologieneutral sein und starten 2019 mit einem Volumen von 250 Megawatt (MW).
Schluss mit dem nächtlichen Dauergeblinke
Eine weitere Neuerung, die das Energiesammelgesetz vorsieht, betrifft die sogenannte bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung von Windkraftanlagen. Gemeint sind die rot blinkenden Lichter auf diesen Anlagen, die Flugzeuge warnen sollen. Da sich viele Anwohner von diesem nächtlichen Dauerblinken gestört fühlen, sollen die Lichter in Zukunft nur noch dann blinken, wenn tatsächlich ein Flugzeug vorbeifliegt. Dazu werden die Anlagen mit spezieller Technik ausgestattet, die den Luftraum in der Umgebung von Windparks nach Flugzeugen und Hubschraubern absucht. Sobald sich ein Luftfahrzeug nähert, wird das rote Blinklicht aktiviert. Neuanlagen müssen bereits ab 2020 über eine bedarfsgerechte Nachtbeleuchtung verfügen, bestehende Anlagen bis 2021 nachgerüstet werden. Ausnahmen gelten für kleinere Windparks, für die die Umrüstung eine zu große finanzielle Belastung darstellen würde.
Überförderungen bei PV und KWK abbauen
Mit dem Energiesammelgesetz wird auch eine Reihe weiterer Änderungen auf den Weg gebracht. Zum Beispiel sinkt der Fördersatz für größere PV-Anlagen (40-750 kW), weil es hier zu einer unzulässigen Überförderung gekommen ist: Die Kosten für diese Anlagen sind in den vergangenen Jahren stärker gefallen als die Fördersätze – zu Lasten aller Verbraucher, die die Förderung über die EEG-Umlage mitfinanzieren. Deshalb sinkt der Fördersatz für neue PV-Anlagen zwischen 6 (60 kW Dachanlage) und 18 Prozent (750 kW Dachanlage). Diese Anlagen lassen sich weiterhin wirtschaftlich betreiben. Kleinere Anlagen im Privatbereich sind von den Änderungen nicht betroffen.
Auch bei der Förderung von KWK-Bestandsanlagen (Kraft-Wärme-Kopplung) kommt es zu einer Absenkung der Fördersätze – ebenfalls aufgrund einer bisherigen Überförderung: Für Anlagen zwischen 50 und 300 MW sinkt die Vergütung abhängig von der elektrischen Leistung der KWK-Anlage, angefangen bei unveränderten 1,5 Ct/kWh für Anlagen zwischen 2 und 50 MW bis runter zu 0,3 Ct/kWh für Leistungen zwischen 200 und 300 MW. Anlagen mit mehr als 300 MW erhalten ab dem 1. Januar 2019 überhaupt keine Förderung mehr. Dadurch sparen die Verbraucher pro Jahr etwa 130 Millionen Euro.
Entlastung bei EEG-Umlage für fast alle KWK-Anlagenbetreiber
Eine Entlastung gibt es für KWK-Anlagenbetreiber bei der EEG-Umlage: Seit dem 1. Januar 2018 müssen die Betreiber von rund 10.000 KWK-Anlagen, die seit dem 1. August 2014 in Betrieb genommen wurden, die volle EEG-Umlage für die Eigenversorgung zahlen. Grund ist, dass es auch hier zu einer Überförderung gekommen ist, die von der EU gerügt wurde. Nach konstruktiven Gesprächen mit der Europäischen Kommission wird nun eine neue Regelung umgesetzt: Fast alle Betreiber von KWK-Anlagen behalten ihre bisherige Privilegierung und müssen in Zukunft wieder nur 40 Prozent der EEG-Umlage zahlen – so wie es bis Ende 2017 bereits der Fall war. Die seit Anfang 2018 zu viel gezahlte Umlage erhalten sie zurück. Damit schließt die neue Regelung rückwirkend nahtlos an die alte an. Für sehr wirtschaftliche große KWK-Anlagen steigt in Zukunft die zu zahlende Umlage je nach Rentabilität graduell an, um eine Überförderung zu vermeiden. Das betrifft auch etwa 200 bestehende Anlagen. Besonders profitable Anlagen erhalten zukünftig keine Privilegierung von der EEG-Umlage mehr.
Eine weitere Neuerung betrifft eine spezielle Art der KWK-Anlagen: Große Dampfsammelschienen-KWK-Anlagen können in Zukunft wieder problemlos modernisiert werden und dabei von der staatlichen Förderung profitieren. Durch eine Änderung des Anlagenbegriffs im Zuge der KWKG-Reform 2016 war eine geförderte Modernisierung für sehr große Anlagen kaum mehr möglich. Grund war, dass die Modernisierungskosten mindestens 25 Prozent der Kosten für die Neuerrichtung der KWK-Anlage betragen müssen. Hier wird nun unter anderem eine zusätzliche niedrigere Schwelle von nur 10 Prozent eingezogen und so eine Förderung der Modernisierungen erleichtert.
Messen oder schätzen – wer Strom weiterleitet, hat die Wahl
Auch beim Thema weitergeleitete Strommengen kommt es zu Änderungen. Konkret sind davon alle Letztverbraucher betroffen, die eine reduzierte EEG-Umlage zahlen. An einen Dritten weitergeleitete Strommengen genießen grundsätzlich nicht das Umlageprivileg des Weiterleitenden. Deshalb war es bislang erforderlich, die weitergeleitete Strommenge von der selbst verbrauchten messtechnisch abzugrenzen. Mit der neuen Regelung werden nun auch in gewissem Umfang und unter besonderen Voraussetzungen Schätzungen zugelassen.
Erneuerbare und Konventionelle gemeinsam gegen Netzengpässe
Eine weitere wichtige Neuerung betrifft den Redispatch (eine genaue Erklärung finden Sie hier): Bei Netzengpässen werden Kraftwerke vor dem Engpass heruntergefahren und Kraftwerke hinter dem Engpass hochgefahren. In Zukunft sollen nicht nur konventionelle Kraftwerke, sondern auch Erneuerbare-Energie- und KWK-Anlagen am Redispatch teilnehmen, wenn sie den Engpass wirksamer beheben als konventionelle Kraftwerke. Ein optimierter Redispatch kann das Redispatch-Volumen senken – und die damit verbundenen Kosten von derzeit rund einer Milliarde Euro pro Jahr deutlich senken.
Möglichkeit für Wasserstoffproduktion auf hoher See
Das Energiesammelgesetz schafft zudem einen Rahmen für Energiegewinnungskonzepte auf See, die nicht an das Stromnetz angeschlossen werden. Damit sind zum Beispiel Windparks auf See gemeint, die den dort erzeugten Strom in Wasserstoff umwandeln. Der Wasserstoff wird dann per Schiff an Land transportiert. Rein rechtlich sind Genehmigungen für den Bau solcher Windparks bislang nicht möglich. Eine Förderung ist für diese Anlagen nicht vorgesehen.
Das Energiesammelgesetz beinhaltet viele weitere Änderungen, eine vollständige Übersicht finden Sie hier. Das Gesetz soll am 30. November im Bundestag beschlossen werden, am 14. Dezember den Bundesrat passieren und könnte bereits Ende 2018 in Kraft treten.