Blindleistung: Wie wird die Spannung im Stromnetz gehalten?
Darum geht’s: Blindleistung sorgt im Stromnetz dafür, dass die Spannung immer genau so hoch ist, dass Elektrogeräte zuverlässig funktionieren und nicht beschädigt werden.
Der Strom, der durch unsere Stromnetze fließt, transportiert Energie zu den Verbrauchern. Diese Energie muss er an der Steckdose mit der richtigen Spannung abliefern: 230 Volt. Die Spannung darf nur geringfügig schwanken. Hersteller von Elektrogeräten legen ihre Geräte darauf aus. Würde die Spannung höher oder niedriger liegen, wäre der zuverlässige Betrieb nicht mehr sichergestellt, im schlimmsten Fall würden die Geräte kaputtgehen.
Blindleistung hält die Spannung aufrecht
Dass der Strom immer die richtige Spannung hat, ist nicht selbstverständlich. Durch den Stromtransport selbst wird zum Beispiel die Spannung beeinflusst. Hier kommt die Blindleistung ins Spiel.
Aber was genau ist Blindleistung eigentlich? Physikalisch gesehen ist Blindleistung der Teil des Stroms, der keine Energie überträgt. Sie entsteht zwangsläufig in Stromnetzen, die wie unsere Netze mit Wechselspannung betrieben werden. An vielen Stellen in unseren Stromnetzen muss zur richtigen Zeit die richtige Menge Blindleistung eingespeist oder entnommen werden, damit die Spannung auf dem gewünschten Niveau bleibt.
Wasser für den Langstreckenläufer
Zur Veranschaulichung kann man sich den Strom als Langstreckenläufer vorstellen. Auf seiner langen Strecke braucht er nicht nur Nahrung, die ihm die nötige Energie liefert. Er muss auch regelmäßig etwas trinken, damit sein Körper nicht austrocknet.
Das Wasser liefert keine Energie – es hat null Kalorien. Trotzdem braucht der Läufer auf seiner Strecke von Zeit zu Zeit einen Schluck Wasser, damit er mit voller Leistung weiterlaufen kann und nicht kollabiert. Sein Körper braucht das Wasser sozusagen als Hilfsstoff. Und ein solcher Hilfsstoff ist auch die Blindleistung für den Stromtransport.
Auch die Erneuerbaren können Blindleistung liefern
Blindleistung wird bislang hauptsächlich von den großen Kraftwerken bereitgestellt. Kraftwerke können einstellen, wie viel Blindleistung sie ins Netz einspeisen oder daraus entnehmen. Damit erbringen sie eine Dienstleistung für das Netz. Dies ist für sie eine Nebenaufgabe. Die Hauptaufgabe der Kraftwerke ist, elektrische Energie ins Netz einzuspeisen. Die Netzbetreiber teilen den Kraftwerksbetreibern laufend mit, wie viel Blindleistung sie zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort benötigen, um die Spannung überall im gewünschten Bereich zu halten.
Auch Erneuerbare-Energien-Anlagen, die zum Beispiel Strom aus Wind- oder Sonnenkraft gewinnen, können Blindleistung liefern. Das ist deshalb gut und wichtig, weil durch die zunehmende Nutzung der Erneuerbaren immer mehr große Kraftwerke abgeschaltet oder nur noch zeitweise genutzt werden. Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen sind deshalb mittlerweile verpflichtet, bestimmte Mengen von Blindleistung ins Stromnetz einspeisen zu können. Netzbetreiber können somit auf immer mehr Erzeugungsanlagen zurückgreifen, um ihren Bedarf an Blindleistung zu decken.
Gemeinsam Lösungen entwickeln
Auch wenn die Netzbetreiber sich schon immer um die Spannungshaltung in ihren Netzen kümmern mussten, sind noch viele Fragen rund um die Bereitstellung von Blindleistung zu klären. Zum Beispiel: Wie wählen die Netzbetreiber aus, von welchem Anlagenbetreiber sie welche Menge an Blindleistung bereitgestellt bekommen? Wie rufen sie die benötigte Blindleistung ab? Erhalten die Anlagenbetreiber hierfür eine Vergütung? Und wenn ja, wonach richtet sich die Vergütung und wie werden die Preise festgelegt? Diese und weitere Fragen werden in der "Kommission zur zukünftigen Beschaffung von Blindleistung" diskutiert, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) eingesetzt hat. In dieser Kommission entwickeln Verbände von Herstellern und Betreibern von Stromerzeugungsanlagen, von Netzbetreibern und von Stromverbrauchern Lösungen für die offenen Fragen.
Die erste gemeinsame Sitzung hat am 17. September 2018 stattgefunden, weitere Treffen sind alle drei Monate geplant, das nächste am 4. Dezember. Alle weiteren Entwicklungen erfahren Sie hier im Newsletter.