Stromnetze fit für die Zukunft machen
Die Energiewende stellt unsere Stromnetze vor große Herausforderungen: Stromerzeugung und -verbrauch müssen sich grundsätzlich immer genau die Waage halten, damit die Netze stabil bleiben. Die Erneuerbaren produzieren jedoch je nach Wetterlage mal mehr, mal weniger Strom – und manchmal so viel, dass die Netze ihn gar nicht aufnehmen können. Denn der Netzausbau kommt nicht so schnell voran wie der Ausbau der Erneuerbaren. Gerade in Norddeutschland mit seinen vielen Windparks kommt es deshalb regelmäßig zu Netzengpässen. Ganze Windparks müssen dann abgeschaltet werden, um die Netze nicht zu überlasten. Dabei könnte dieser Strom in West- und Süddeutschland gut gebraucht werden.
Netzengpässe haben 2015 und 2016 zu jährlichen Kosten von rund einer Milliarde Euro geführt, den sogenannten Redispatchkosten (mehr zum Thema Redispatch erfahren Sie in diesem Video). Diese werden über die Netzentgelte auf alle Stromverbraucher umgelegt. Die gute Nachricht: Diese Kosten lassen sich kurz- bis mittelfristig um bis zu 200 Millionen Euro pro Jahr senken, indem man die bestehenden Netze stärker auslastet. Zu diesem Ergebnis kommt eine branchenübergreifende Arbeitsgruppe, die auf Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) ein entsprechendes Maßnahmenpaket entwickelt hat.
Netze modernisieren, Prozesse optimieren
Zentrale Punkte dieses Pakets sind zum einen ein besseres Netzmonitoring, um beispielsweise zu erfassen, welche Netzabschnitte sich mit vergleichsweise wenig Aufwand aufrüsten lassen. Zum anderen die technische Modernisierung von fünf bereits ausfindig gemachten Netzabschnitten in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Allein diese Netzmodernisierung lässt die Kosten für Netzengpässe um etwa 180 Millionen Euro jährlich sinken. Weitere geplante Maßnahmen sind eine bessere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Netzbetreiber bei der Stabilisierung der Netze und das sogenannte Freileitungsmonitoring, bei dem Netzabschnitte auf Basis einer genaueren Erfassung der Temperatur und der Umgebungsbedingungen höher ausgelastet werden. Zudem sollen auch die Netzplanungsprozesse und Genehmigungsverfahren weiterentwickelt werden. Last but not least: Die Digitalisierung zieht auch bei den Stromnetzen ein. Neue Technologien sollen dabei helfen, die Netze höher auslasten zu können – zum Beispiel durch Online-Systeme zur dynamischen Netzberechnung in Echtzeit (mehr zur BMWi-geförderten Forschung zu diesem Thema erfahren Sie hier). "Das Maßnahmenpaket ist neben dem dringend erforderlichen Netzausbau ein weiterer wichtiger Beitrag, um die Stromnetze fit für die Zukunft zu machen", lobt Rainer Baake, Staatssekretär im BMWi, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe. Die Maßnahmen müssen im nächsten Schritt nun detaillierter ausgearbeitet werden und sollen dann zügig – spätestens jedoch bis 2023 – umgesetzt werden.
Am Netzausbau führt kein Weg vorbei
Die bessere Auslastung der bestehenden Netze ist nur eine Zwischenlösung. Um die Leistungsfähigkeit der Stromnetze nachhaltig zu erhöhen, führt kein Weg am Netzausbau vorbei. Bund und Länder haben hierfür bereits die Weichen gestellt und arbeiten zusammen mit den Netzbetreibern an der Planung und dem eigentlichen Ausbau. Das geht aber nicht von heute auf morgen: Die großen "Stromautobahnen" von Nord- nach Süddeutschland werden voraussichtlich 2025 fertig. Bis dahin können die nun vorgeschlagenen Maßnahmen der Arbeitsgruppe dazu beitragen, die Kosten für Netzengpässe deutlich zu senken.
Die Arbeitsgruppe wurde geleitet von der Deutschen Energie-Agentur dena und dem BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung. Weitere Teilnehmer waren die Bundesnetzagentur, Netzbetreiber, Verbände, Technologiehersteller und andere Experten. Alle Maßnahmen können im Ergebnispapier "Höhere Auslastung des Bestandsnetzes" nachgelesen werden.