Strom, Heizung, Verkehr: Brauchen wir für eine erfolgreiche Energiewende einen CO2-Preis in allen Sektoren?

Zu dieser Frage äußern sich Björn Klusmann, Geschäftsführer des Think Tanks Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), und Matthias Hartung, Vorsitzender des Vorstands von DEBRIV – Bundesverband Braunkohle.

PRO: Björn Klusmann

Björn Klusmann, Geschäftsführer des Think Tanks Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). © FÖS

Der Erfolg der Energiewende krankt an einer zentralen Stelle: Niedrige CO2-Preise und Subventionen für fossile Energieträger konterkarieren alle Anstrengungen, die gesetzten Ziele zu erreichen. Dadurch wird die Energiewende unnötig verteuert. Dieses Problem ist ein finanz- und steuerpolitisches: Solange CO2-Emissionen keinen wirksamen Preis haben, widerspricht es häufig rationalem und wirtschaftlichem Handeln, sie zu vermeiden. Gleichzeitig haben solche Unternehmen Nachteile, die umweltschonend wirtschaften.

Ohne ein wirksames Preissignal für CO2 sind fairer Wettbewerb und eine erfolgreiche Energiewende nicht möglich, denn der europäische Emissionshandel wird auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, einen ausreichenden Anreiz für Investitionen in klimafreundliche Technologien zu setzen. Ein CO2-Preis kann ein verlässliches, stabiles Preissignal für den Weg zur Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft setzen.

Die bestehenden Steuern im Energiebereich sind historisch gewachsen und nicht auf die Ziele der Energiewende ausgerichtet. Sie folgen keiner einheitlichen Systematik und viel schlimmer: Verschiedene Ausnahmen für einzelne Branchen und Anwendungsfälle beeinflussen die Lenkungswirkung und können sogar Fehlanreize zulasten des Klimaschutzes oder der Sektor-Kopplung bewirken. Eine Reform muss innerhalb und zwischen den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr eine konsistente CO2-Bepreisung herstellen. Die Steuersätze sollten sich an Energiegehalt und CO2-Intensität orientieren. Zwischen den Sektoren kann der Energiesteueranteil unterschiedlich hoch sein, um die spezifischen Finanzierungsaufgaben und weiteren Schadenskosten außerhalb der Klimawirkung wie zum Beispiel Luftschadstoffe oder Infrastrukturkosten im Verkehrssektor abzubilden. Zudem kann die Besteuerung des Energiegehalts auch Effizienzanreize bei CO2-freien Energieträgern geben. Zusätzlich und entscheidend müssen alle Energieträger einheitlich entsprechend ihres CO2-Gehalts besteuert werden. Wir empfehlen einen Einstiegswert von 30 Euro pro Tonne CO2, der im Zeitverlauf steigt, um die Klimakosten angemessen einzupreisen. Die Wettbewerbsposition einzelner Energieträger macht sich damit vorrangig an ihrer Klimawirkung fest – so stehen Steuern im Einklang mit dem Pariser Abkommen.

Björn Klusmann ist Geschäftsführer des Think Tanks Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS).

CONTRA: Matthias Hartung

Matthias Hartung, Vorsitzender des Vorstands von DEBRIV – Bundesverband Braunkohle. © RWE

Wir brauchen vor allem einen breiteren Blick auf die Klimaschutzarchitektur und ihre Instrumente. Dazu gehören für mich drei Elemente:

1. Eine Offensive, die Innovationen und Technologien fördert.
Sie setzt Anreize in allen Sektoren, um CO2-arme Technologien voranzubringen. Für die Energiebranche wie für die Industrie, den Verkehrssektor und den gesamten Gebäudebereich. Mein Plädoyer: Anschubfinanzierung ja, Dauersubventionierung nein. Je früher es gelingt, innovative Technologien markt- und wettbewerbsfähig zu machen, desto besser. Diese Offensive könnte in allen Bereichen Perspektiven schaffen. Und so den Standort Deutschland stärken und nicht aushöhlen.

2. Verlässliche Reduktionspfade für alle Sektoren
Unumstritten: Wir wollen die europäischen Minderungsziele erreichen. Klare, realistische Vorgaben sorgen für Planungssicherheit und verhindern Strukturbrüche in Industrien und Regionen. Für den Stromsektor gibt es den europäischen Emissionshandel. Das umfassende System funktioniert und beinhaltet Strategie, Minderungspfad und Instrument. Maßgebend ist das Cap, also die kontinuierlich sinkende Emissionsobergrenze. Das Cap garantiert das Erreichen der Ziele, nicht die Höhe des CO2-Preises.

3. Eine Gesamtstrategie mit ganzheitlicher Betrachtung
Unsere Gesellschaft befindet sich auf dem Weg in die "all electric society" mit Strom als Haupttreibstoff. Nötig dazu: Der Einsatz von Strom in weiteren Sektoren muss wettbewerbsfähig werden. Die Gestaltungsaufgabe liegt in den Händen der Politik; eine Möglichkeit wäre etwa in einer Neujustierung des Steuern- und Abgabensystems zu sehen, die sich daran ausrichten könnte, wie mit minimalem Kapitaleinsatz eine maximale CO2-Reduzierung erreicht werden kann. Dies führt auch dazu, sich im bewährten Zieldreieck der Energiepolitik aus Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit zu bewegen.

Fazit: Nur auf Regulierungsinstrumente wie einen vorgegebenen CO2-Preis zu setzen, greift zu kurz. Vielmehr sollten wir die technologischen Innovationschancen nutzen, um der Energiewende zum Erfolg und damit auch zu Akzeptanz zu verhelfen.

Matthias Hartung ist Vorsitzender des Vorstandes von DEBRIV – Bundesverband Braunkohle.

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