Windkraft beflügeln
Die Szenerie erinnert an den Hamburger Hafen, nur etwas kleiner und in einer Halle. Zwei haushohe Metallgerüste fahren perfekt aufeinander abgestimmt vor und zurück. An ihnen befestigt ist je eine Fräse, die von oben herab hängt und sich exakt so bewegt, wie es die Choreografie vorgibt. Unter sich bearbeiten die Fräsen einen Block, der da liegt wie weißer Marmor: 20 Meter lang, 2 Meter breit, 1,50 Meter hoch. Mit der Zeit erkennt man allerdings, dass hier alles andere als Stein gefräst wird. Nach und nach wird die Form eines Windradflügels sichtbar – wenn auch nur zum Teil. Der fertige Flügel soll 40 Meter lang werden.
Willkommen bei Blademaker, dem neuen Demonstrationszentrum für Rotorblattfertigung in Bremerhaven. Blademaker ist Englisch und bedeutet übersetzt so viel wie "Rotorblatt-Macher". Was macht diese Produktionshalle so besonders?
Flügel fräsen – nur viel effizienter
Kurz gesagt: Hier wird getestet, wie Rotorblätter schneller und günstiger hergestellt werden können als bisher. Von der Manufaktur zur industriellen Produktion, sozusagen. Denn noch ist viel teure Handarbeit nötig, um einen Windradflügel herzustellen.
Grund dafür sind die geringen Stückzahlen, etwa im Vergleich zur Automobilherstellung. Während ein Auto-Modell hunderttausendfach vom Band läuft, dient die Werkzeugform eines Rotorblatts nur einige hundert Male als Vorlage. Das bedeutet mitunter, dass die Herstellung mehr kostet als nötig. So sehen das jedenfalls die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik, kurz IWES. Und das wollen sie ändern.
Die IWES-Wissenschaftler wollen Rotorblätter schneller fertigen – aber in konstanter Qualität und hochpräzise. So sollen die Kosten für Hersteller von Windrädern spürbar sinken. Zusammen mit 15 Partnern hat IWES als Koordinator das Fertigungszentrum in einer ehemaligen Werfthalle in Bremerhaven aufgebaut.
Drei Jahre Arbeit sollen zehn Prozent sparen
Die Forscher haben ein klares Ziel: Sie wollen im Herstellungsprozess zunächst Einsparungen von etwa zehn Prozent erzielen – durch effizientere Produktions-prozesse, den Einsatz innovativer Materialien und weitergehende Automatisierung.
Dreieinhalb Jahre feilten die Wissenschaftler am Konzept und den Prozessen des Blademakers – zusammen mit Rotorblatt- und Komponentenherstellern, Anbietern von Produktionssteuerungen sowie Materialherstellern. Sie alle wollten den Umstieg von der Kleinserienfertigung zur großindustriellen Produktion schaffen. Inwiefern das klappt, wird in Bremerhaven getestet.
Was ist neu?
Der Blademaker ist flexibler als gängige Knickarm-Roboter. Nicht, dass diese schon für die Flügelproduktion eingesetzt würden – es gibt allerdings einen allgemeinen Trend der industriellen Automatisierung hin zu dieser Art Roboter. Stattdessen setzt Blademaker auf ein so genanntes "Linearachsensystem". Die beiden Gerüste, die aussehen wie Hallenkräne, sind so genannte "Portalsysteme". Die Prozessköpfe darunter, im Beispiel die Fräsen, können sich darunter frei bewegen, vor allem aber hochpräzise arbeiten. 25 Meter lang, 4 Meter breit und 2 Meter hoch dürfen die Werkstücke sein, die bei Blademaker bearbeitet werden. Das ist groß genug, um alle relevanten Bearbeitungsschritte einer Rotorblattproduktion demonstrieren und optimieren zu können.
Die beiden Portalsysteme haben den Vorteil, dass unter ihnen das Material einfach ein- und ausgeladen werden kann und das Rotorblatt für die Arbeiter zugänglich bleibt. Außerdem kann der Prozesskopf einfach ausgetauscht werden. Sie bewegen sich mit maximal zweieinhalb Metern pro Sekunde entlang der vorgegebenen Bahnen. So können verschiedene Produktionsschritte, die sonst an unterschiedlichen Maschinen erfolgen, an ein und demselben Platz geschehen.
Ziel 2017: ein effizientes Blatt-Design
Noch bis Herbst 2017 untersuchen die IWES-Wissenschaftler die neue Technik. In dieser Zeit entwickeln sie ein optimiertes Blattdesign für die industrialisierte Produktion. An diesem Prototyp werden die einzelnen Fertigungsschritte sorgfältig aufeinander abgestimmt, mit dem manuellen Fertigungsansatz verglichen und bewertet. Das Ergebnis: ein effizient designtes Rotorblatt. Dieses Design soll bewusst veröffentlicht werden. So soll die Wettbewerbsfähigkeit qualitätsbewusster Hersteller gestärkt und die Erzeugung von Windenergie kostengünstiger werden.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit rund acht Millionen Euro gefördert.