Effizienzlabel: aussagekräftig, auch wenn die typische Verbrauchernutzung nicht immer berücksichtigt wird?

Zu dieser Frage äußern sich Dr. Klaus Mittelbach, Vorsitzender der Geschäftsführung des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), sowie Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).

PRO: Dr. Klaus Mittelbach

Dr. Klaus Mittelbach, Vorsitzender der Geschäftsführung des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) © Matthias Haslauer

Energielabel haben sich in der Vergangenheit bewährt. Sie bieten den Menschen Orientierung in einem Segment, das nie zuvor so vielfältig war. Dennoch wird immer wieder in den Medien diskutiert, ob die typische Verbrauchernutzung überhaupt berücksichtigt wird.

Warum? Eine Kennzeichnung macht ja nur dann Sinn, wenn sie einen tatsächlichen Informationswert hat und wenn die Menschen dieser Information auch vertrauen können.
An Messverfahren müssen drei wesentliche Ansprüche gestellt werden: Sie müssen nahe am Verbraucherverhalten sein, präzise Ergebnisse liefern und mit angemessenem Aufwand durchzuführen sein. Dieser "Dreisatz" ist nicht leicht zu erfüllen.

Zunächst stellt sich die Frage: Was ist das typische Verbraucherverhalten? In Europa wird sehr unterschiedlich gewaschen, gebacken oder Staub gesaugt. Das Verbraucherverhalten verändert sich zudem laufend. Zum Beispiel führen neue Waschmittel oder Textilien zu einem veränderten Waschverhalten. Das alles muss bei der Entwicklung der Messverfahren berücksichtigt werden, aber immer mit Blick auf die Konsequenzen in Sachen technische Qualität und Aufwand.

Zu den Messverfahren: Diese müssen selbstverständlich genaue Ergebnisse liefern. Viele Geräte haben inzwischen ein sehr hohes Effizienzniveau erreicht. Trotzdem müssen die feinen Unterschiede messtechnisch genau und gut wiederholbar ermittelt werden können. Um das zu gewährleisten, sind die Verfahren sehr detailliert beschrieben. Die Messnorm für Waschmaschinen ist etwa 180 Seiten stark. Entsprechend groß ist der Aufwand für eine Messung.

Die Ressourcen der Marktüberwachung sind tatsächlich knapp bemessen. Zunehmend komplexe Messverfahren für eine wachsende Zahl von regulierten Produkten stellen die Marktüberwachung vor immense Herausforderungen. Und dennoch wären mehr technische Nachprüfungen wünschenswert. Prüfungen im Wesentlichen nach Akten- oder Datenlage sind untauglich. Der ZVEI unterstützt in diesem Zusammenhang das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie beauftragte Projekt zum Überprüfen der Messverfahren.

Kein Anspruch an ein Messverfahren kann also losgelöst von den anderen betrachtet werden. Sie soweit wie möglich zur Deckung zu bringen, ist eine Kunst, Kompromisse sind dabei unabdingbar. Daran arbeiten die europäischen Normengremien intensiv. Und das funktioniert.

Daher: Energielabel sind aussagekräftig und weisen den Menschen einen Weg in einer mitunter komplexen Gerätelandschaft.

Dr. Klaus Mittelbach ist Vorsitzender der Geschäftsführung des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI).

CONTRA: Klaus Müller

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) © vzbv - Jan Zappner

Energielabel ja, aber bitte ehrlich!

Mehr als 80 Prozent der Verbraucher kennen das Energielabel auf Elektrogeräten mit den Effizienzklassen A+++ bis G und berücksichtigen es beim Kauf. Die Idee hinter dem Label ist gut – Verbraucherinnen und Verbraucher sollen mit einem Blick Stromfresser identifizieren und so ihre Stromrechnung senken können. Doch als leicht handhabbarer und verlässlicher Wegweiser funktioniert das Label leider nicht. Ein Grund: Die Berechnungsmethoden gehen zu häufig an der Realität der Haushalte vorbei. Das muss sich ändern.

Ein Beispiel: Die effizienteste Waschmaschine hilft Verbrauchern wenig, wenn der Klassifizierung nur der Verbrauch des Sparprogramms zugrunde liegt. Dabei nutzt überhaupt nur die Hälfte der Haushalte Sparprogramme. Neben Unkenntnis gilt auch die lange Waschdauer als Hürde. Werden andere Programme genutzt, verbraucht das Gerät mehr Energie als die Angabe der Effizienzklasse und des Stromverbrauchs vermuten lassen würde. Das Energielabel bringt also nichts, wenn die Label auf Annahmen basieren, die in der Realität kaum zutreffen.

Zudem ist nicht immer garantiert, dass die gemachten Angaben überhaupt stimmen. Schließlich handelt es sich um eigenständige Erklärungen der Hersteller, die erst im Handel stichprobenartig überprüft werden. Die EU geht davon aus, dass 20 Prozent der Produkte die Vorgaben für Ökodesign und Energielabeling nicht erfüllen. Damit gehen Verbrauchern zehn Prozent der versprochenen Einsparungen verloren. So ist es ein wichtiger Schritt, dass das Bundeswirtschaftsministerium zu Beginn des Jahres die Bundesanstalt für Materialforschung damit beauftragt hat, die Prüfmethoden von Ökodesign und Labeling zu untersuchen. Das schützt Verbraucher besser vor Betrugsversuchen.

Dass auf EU-Ebene derzeit an einer Reform des Energielabels gearbeitet wird, ist die Chance, das Energielabel wieder zu dem zu machen, was es ursprünglich sein sollte: Ein verlässliches Instrument der Verbraucherinformation. Dazu gehört auch, dass die Angaben stimmen und das tatsächliche Verbraucherverhalten stärker Berücksichtigung findet.

Klaus Müller ist Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).

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