Klimaneutrale Gebäude bis 2050: Jetzt in großem Stil umstellen auf Wärmeerzeugung aus grünem Strom?

Zu dieser Frage äußern sich Dr. Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie, sowie Andreas Lücke, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie.

PRO: Dr. Hermann Falk

Dr. Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie © Bundesverband Erneuerbare Energie e.V.

Der Anteil Erneuerbaren Stroms im Wärmemarkt wird steigen. Wer eine klimaneutrale und volkswirtschaftlich kosteneffiziente Wärmewende will, kommt um die Erhöhung des Erneuerbaren Stromanteils im Wärmemarkt nicht herum.

Notwendig wird ein Energiesektor übergreifender Ansatz sein, der Strom, Wärme und Mobilität gemeinsam denkt. Die intelligente Kopplung aller EE-Technologien und Energiesektoren ermöglicht so eine kostenoptimierte Gestaltung der Transformation unseres Energiesystems. Statt also grünen Strom abzuregeln, sollte er besser im Wärme- und Mobilitätsbereich genutzt werden. Doch dazu muss sich das Ausbautempo Erneuerbarer Energien insgesamt immens steigern.

Während der Anteil der Erneuerbaren im Stromsektor 2015 bei ca. 33 Prozent liegen wird, stagniert die Erneuerbare Wärme bei zehn bis zwölf Prozent. Mit der am 18. November verabschiedeten Energieeffizienzstrategie Gebäude (ESG) hat die Bundesregierung erstmals versucht, einen konkreten Aufwuchspfad für Erneuerbare Wärme und einen Reduzierungspfad des Energiebedarfs im Gebäudesektor zu skizzieren. Doch das Ergebnis bleibt ernüchternd. Nicht nur kommt die ESG selbst zu dem Schluss, dass mit den bestehenden Instrumenten das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2050 nicht zu erreichen sein wird. Die Lücke beträgt beachtliche 220 Terawattstunden. Die ESG bleibt zusätzliche, konkrete Maßnahmenvorschläge schuldig. Dazu kommt, dass die Regierung statt den notwendigen Kurswechsel weg von Öl, Kohle und Gas im Wärmmarkt einzuleiten, aktuell wieder zusätzliche Milliarden Euro Steuergeld über die staatliche KfW-Bank in eben diese pumpt. Und das alles, während die Kanzlerin auf der Weltklimakonferenz in Paris die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft propagierte.

Energiewende geht anders, auch in deutschen Heizungskellern. Dort werden aufgrund der Politik des billigen Öls vermehrt fossile Anlagen installiert. Um dies zu verhindern, müssen die Preise für fossile Energien endlich die tatsächlich verursachten Kosten widerspiegeln.

Dr. Hermann Falk ist Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE).

CONTRA: Andreas Lücke

Andreas Lücke, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie © Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V.

Strom dominierte bisher den energiepolitischen Diskurs. Und das, obwohl nur etwa ein Fünftel des deutschen Endenergieverbrauchs diesem Bereich zuzuordnen ist. Zum 1.1.2016 wird der Primärenergiefaktor für Strom in der Energieeinsparverordnung (EnEV) von 2,4 auf 1,8 abgesenkt. Der Primärenergiefaktor zeigt das Verhältnis der eingesetzten Primärenergie zur abgegebenen Endenergie an. Grund für die Absenkung ist, dass sich der Anteil der erneuerbaren Energien im deutschen Strom-Mix auf rund 30 Prozent erhöht hat. Der neue Faktor von 1,8 ist zwar ein wichtiger Fortschritt hin zu mehr grünem Strom – grün ist unser Strom aber nur zu knapp einem Drittel. Noch immer entfallen rund 70 Prozent des Strom-Mixes auf Kohlestrom, Atomstrom und Strom aus Erdgas.

Demgegenüber steht der Wärmemarkt. Auf ihn entfallen über 50 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs. Wer suggeriert, die im Wärmemarkt dominanten Primärenergieträger Erdgas und Heizöl kurzfristig durch grünen Strom ersetzen zu können, der negiert zumindest diese Größenverhältnisse und die damit verbundenen technisch-kommerziellen Realitäten.

Wer bereits heute ökologisch und ökonomisch sinnvoll mit Strom heizen möchte, kann dies ausschließlich mit hocheffizienten Wärmepumpen tun. Eine Sole-Wasser-Wärmepumpe weist Jahresarbeitszahlen von weit über 4,0 auf. Das bedeutet, dass drei Teile Umweltenergie plus ein Teil Strom vier Teile Wärme ergeben. Sole-Wasser-Wärmepumpen eignen sich wegen ihres hohen technischen Standards sowohl für die Bestandssanierung als auch für den Neubau. Auch Luft-Wasser-Wärmepumpen nutzen neben Strom einen großen Anteil an Umweltwärme und eignen sich sowohl für den Bestand, als auch für den Neubau.

Das Augenmerk der Energiepolitik sollte darauf liegen, den veralteten Heizungsanlagenbestand zu modernisieren und die von der Bundesregierung anerkannten enormen Energieeinspar- und CO2-Minderungspotenziale beschleunigt zu heben. Damit dies erreicht werden kann, sollte nicht nur Strom, sondern auch Erdgas, Heizöl, Solarthermie, Biomasse sowie Umwelt- und Erdwärme betrachtet werden.

Andreas Lücke ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie e.V. (BDH).

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