Sind wasserstoffbetriebene Autos reif für den Markt?

Zu dieser Frage äußern sich Claudia Fried, Leiterin Kommunikation bei Clean Energy Partnership (CEP), und Michael Müller-Görnert, Referent für Verkehrspolitik beim Verkehrsclub Deutschland (VCD).

PRO: CLAUDIA FRIED

Claudia Fried, Leiterin Kommunikation bei Clean Energy Partnership (CEP) © CEP

Der Wasserstoffantrieb hat eine Vielzahl von Vorzügen: Brennstoffzellenfahrzeuge besitzen eine hohe Effizienz, sie können in wenigen Minuten aufgetankt werden und legen mit ihrem Tankinhalt große Reichweiten von bis zu 700 Kilometern zurück. Wird der Wasserstoff, der in der Brennstoffzelle in elektrischen Strom verwandelt wird und dann einen Elektromotor antreibt, aus erneuerbaren Quellen erzeugt, fährt das Auto völlig ohne schädliche Emissionen. Es strömt lediglich etwas Wasserdampf aus dem Auspuff.

In Deutschland sind im größten Demonstrationsprojekt für Wasserstoff- und Brennstoffzellenmobilität Europas, der Clean Energy Partnership (CEP), etwa 100 solcher Brennstoffzellenfahrzeuge im Testbetrieb. Sie haben auf über 3 Millionen Kilometern ihre Alltagstauglichkeit bewiesen. Die Pilotkunden schätzen, neben der Umweltfreundlichkeit, das unkomplizierte Handling der Autos, das sich kaum von dem konventioneller Fahrzeuge unterscheidet. Sie sind zuverlässig und bieten durch ihren leisen spritzigen Antrieb hohen Fahrkomfort. Die Kosten für das Brennstoffzellensystem konnten erheblich gesenkt werden – im Vergleich zu 2007 um 90 Prozent.

Allianzen zwischen Autoherstellern

Allianzen zwischen den weltweit größten Automobilherstellern werden zu weiteren Kostenreduktionen führen: BMW kooperiert mit Toyota, die Unternehmen Daimler, Ford und Renault arbeiten zusammen wie auch GM und Honda. Im September wird das erste in einer Großserie gefertigte Brennstoffzellenfahrzeug in Deutschland zum Kauf angeboten werden: der Toyota Mirai. Ihm folgen 2016 ein Serienmodell von Honda und 2017 eines aus dem Hause Daimler.

Tankstellennetz wird aufgebaut

Der Wasserstoffantrieb ist also reif für den Markt. Damit eine hohe Nachfrage entsteht, brauchen wir ein engmaschiges Tankstellennetz. In den größten deutschen Ballungszentren gibt es bereits Wasserstofftankstellen. Industrie und Politik sorgen derzeit dafür, dass hierzulande bis 2016 ein Grundversorgungsnetz von 50 Tankstellen entsteht, 2023 sollen es schon 400 sein. Auch unsere Nachbarländer widmen sich dem Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur. Die Weichen für den Erfolg des Wasserstoffantriebs werden jetzt gestellt. Industrie und Politik müssen dafür auch weiterhin mit Entschlossenheit an einem Strang ziehen.

Claudia Fried ist Leiterin Kommunikation bei Clean Energy Partnership (CEP).

CONTRA: MICHAEL MÜLLER-GÖRNERT

Michael Müller-Görnert, Referent für Verkehrspolitik beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) © VCD

Zunächst vorweg: Die Brennstoffzelle ist eine elegante Technik. Der Antrieb arbeitet völlig schadstofffrei und aus dem Auspuff des Autos kommt nur Wasserdampf. Die Voraussetzung, eine Alternative zu den bisherigen Verbrennungsmotoren zu sein, ist damit erfüllt. Und mit Toyota und Hyundai bringen zwei Autohersteller noch dieses Jahr die ersten serienmäßigen Brennstoffzellenautos auf den Markt. Sie beweisen damit, dass der Wasserstoffantrieb aus technischer Sicht reif für den Automarkt ist. Allerdings stellen sich zwei relevantere Fragen, als die nach der Markttauglichkeit der Antriebstechnik.

Ist die Infrastruktur entwickelt?

Menschen, die vom Auto abhängig sind, stellen zwangsläufig die Frage nach dessen Alltagstauglichkeit. Diese ist beim Brennstoffzellenauto in Deutschland bisher nicht gegeben. Gegenwärtig gibt es gerade einmal 19 Wasserstofftankstellen. Die Industrie plant zwar im Schulterschluss mit der Bundesregierung den Aufbau eines deutschlandweiten Netzes von rund 400 Tankstellen bis 2023. Ob der Plan auch tatsächlich aufgeht, steht aber auf einem anderen Blatt Papier. Gleichzeitig setzt die Bundesregierung auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Es ist fraglich, dass beides zur selben Zeit im Rahmen des Möglichen liegt. Es folgt somit die Frage nach der Priorisierung: Setzt die Politik auf Elektro- oder Brennstoffzellenautos, um im Verkehrsbereich die Vision der "Entkarbonisierung", die Angela Merkel beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau so prominent angeregt hat, umzusetzen?

Welcher Antrieb ist aus Klimaschutzsicht sinnvoller?

Die Brennstoffzelle ist zwar bei der Umwandlung von Wasserstoff in Strom, der dann das Auto antreibt, eine saubere Technik. Doch die Herstellung des Wasserstoffs ist sehr energieaufwendig und sie darf bei der Berechnung der Ökobilanz des Brennstoffzellenautos nicht vergessen werden. Legt man hier den aktuellen deutschen Strommix zugrunde, fällt die Ökobilanz derzeit schlechter aus, als die von spritsparenden Benzin- und Diesel-Pkw.

Voraussetzung für eine Verbesserung der Ökobilanz des motorisierten Verkehrs ist also eine gelungene Energiewende. Nur mit 100 Prozent regenerativem Strom ist der Einsatz von Elektro- oder Brennstoffzellenfahrzeugen sinnvoll. Doch wann für die Herstellung des Wasserstoffs ausreichend regenerativer Strom zur Verfügung steht, ist offen. Denn die Herstellung ist nicht nur energieaufwendig, sondern es geht im System Wasserstoff/Brennstoffzelle gegenüber dem direkten Einsatz von Strom in Elektromotoren auch etwa die Hälfte der Energie verloren. Der direkte Einsatz von Strom in Elektroautos ist somit deutlich effizienter.

Michael Müller-Görnert ist Referent für Verkehrspolitik beim Verkehrsclub Deutschland (VCD).

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