Was ist eigentlich ein "Virtuelles Kraftwerk"?
Erneuerbare Energien wie Wind, Sonne und Biomasse decken in Deutschland bereits etwa ein Drittel des gesamten Stromverbrauchs. Damit ist die Energiewende auf einem guten Weg. Der Wechsel von konventionellen Energien wie Kohle und Gas hin zu Erneuerbaren ist aber auch mit Herausforderungen verbunden. Zum einen produzieren nicht mehr nur einige große Kraftwerke Strom, sondern unzählige kleine Anlagen im ganzen Land. Zum anderen schwankt die Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien stark: Scheint die Sonne und weht viel Wind, ist die Produktion hoch, bei Nacht und Windstille entsprechend niedrig. Haushalte und Industrie benötigen jedoch zu jeder Zeit eine zuverlässige Stromversorgung.
Mehr Selbstständigkeit für erneuerbare Energien
Bislang springen konventionelle Kraftwerke ein, wenn Wind, Sonne oder Biomasse den Strombedarf nicht decken können. In Zukunft müssen die erneuerbaren Energien jedoch selbst in der Lage sein, Strom zuverlässiger bereitzustellen. Schließlich soll ihr Anteil im Zuge der Energiewende weiter steigen. Eine sichere Stromversorgung kann es aber nur dann geben, wenn das Stromnetz stabil ist – wenn also konstant genau so viel Strom eingespeist wie verbraucht wird.
Genau an diesem Punkt kommen "virtuelle Kraftwerke" (teilweise spricht man auch von "Kombikraftwerken") ins Spiel. Wie eine Steuerzentrale bündeln sie den Strom von vielen kleinen Erzeugern und speisen ihn genau in der Menge ins Stromnetz ein, die vorher beim Stromverkauf vereinbart wurde.
Was sich auf den ersten Blick einfach anhört, benötigt tatsächlich eine aufwändige Planung und Steuerung. Um beispielsweise möglichst genau vorhersagen zu können, wie viel Strom ein virtuelles Kraftwerk ins Stromnetz einspeisen kann, muss die zur Verfügung stehende Strommenge der angeschlossenen Erzeuger bekannt sein. Dafür ist ein Monitoring-System nötig, das jeden einzelnen Erzeuger in Echtzeit überwacht und weiß, welche Anlagen eingeschaltet und betriebsbereit sind und welche Leistung sie aktuell bereitstellen können. Bei Solar- und Windkraftanlagen müssen beispielsweise die Wetterdaten berücksichtigt werden, um zu genauen Vorhersagen zu gelangen.
Flexibler durch Zusammenarbeit
Die Strommenge, die ein virtuelles Kraftwerk liefern kann, schwankt. Ist die aktuell zur Verfügung stehende Strommenge einzelner Anlagen des virtuellen Kraftwerks höher oder niedriger als ursprünglich geplant, muss nachgeregelt werden. Auch das kann geleistet werden – durch sogenannte regelbare Anlagen, zum Beispiel Erzeugungsanlagen, Lasten oder Speicher.
Eine wichtige Funktion, die virtuelle Kraftwerke erfüllen, ist die Vermarktung des Stroms, den die angeschlossenen Erzeuger produzieren. Der Hintergrund: Seit August 2014 müssen Betreiber von neuen Erneuerbare-Energien-Anlagen, deren Leistung mehr als 500 Kilowatt beträgt, den nicht selbst genutzten Strom direkt vermarkten. Ab 2016 gilt das auch für neue Anlagen ab 100 Kilowatt Leistung. Da das virtuelle Kraftwerk für die angeschlossenen Erzeuger den Verkauf an der Strombörse übernimmt, muss es die einzelnen Anlagen so steuern, dass der eingespeiste Strom der im Vorfeld vermarkteten Menge genau entspricht.
Beitrag zur Systemsicherheit
Um die Stromversorgung jederzeit sicherzustellen, werden sogenannte Systemdienstleistungen benötigt, etwa um Frequenz und Spannung im Stromnetz stabil zu halten. Virtuelle Kraftwerke können auch hierzu beitragen, indem sie beispielsweise Regelleistung zur Frequenzhaltung bereitstellen. Dies wurde bereits erfolgreich im Projekt "Kombikraftwerk 2" demonstriert.
Das Kraftwerk der Zukunft
Einige virtuelle Kraftwerke sind bereits in Betrieb, beispielsweise "Next Pool" von der Next Kraftwerk GmbH oder das virtuelle Kraftwerk der Firma Statkrafts. Beide zusammen greifen auf fast 10.000 Megawatt Leistung zu – das entspricht etwa der Leistung von zehn Kernkraftwerken. Weitere virtuelle Kraftwerke beziehen auch Stromspeicher und flexible Lasten in das Zusammenspiel aus verschiedenen Anlagen ein oder erbringen bereits Systemdienstleistungen. Somit werden sie zu einem wichtigen Baustein der Energiewende, der zu einer sicheren Stromversorgung beiträgt.