kontrovers
Bringt uns die Energiewende wirklich mehr, als sie kostet?

Zu dieser Frage äußern sich Prof. Dr. Clemens Hoffmann, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel, und Prof. Dr. Manuel Frondel, Leiter des Kompetenzbereichs "Umwelt und Ressourcen" am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung.

PRO - Prof. Dr. Clemens Hoffmann

Prof. Dr. Clemens Hoffmann, Fraunhofer IWES © Harry Soremsky / Fraunhofer IWES

Die Umstellung unserer Energieversorgung von fossilen Brennstoffen und Atomenergie auf CO2-neutrale erneuerbare Energien ist eine große gesellschaftliche und politische Herausforderung. Dabei konzentrierte sich die öffentliche Diskussion bisher auf die Stromversorgung. Wärmeversorgung und Verkehr gehören aber auch dazu.

Was kostet die Energiewende?
Die Techniken für die Nutzung erneuerbarer Energien sind weit entwickelt und verfügbar, so dass wir wissen, was sie heute kosten und recht gut einschätzen können, um wie viel sie noch günstiger werden. Wenn man diese Kosten unter Berücksichtigung der Entwicklung des heutigen Anlagenbestandes und der notwendigen Anlagenerneuerung über 40 Jahre aufsummiert, ergibt sich ein vordergründig gigantisches Investitionsvolumen von 1.500 Milliarden Euro. Davon sollten wir uns aber nicht beeindrucken lassen, denn Summen über lange Zeiträume können schnell große Dimensionen annehmen.

Was aber kostet uns die Energie in Zukunft ohne „Wende“?
Für unseren fossilen Primärenergiebedarf geben wir derzeit rund 83 Milliarden Euro im Jahr aus, über 40 Jahre aufsummiert 3.320 Milliarden Euro. Aufgrund der knapper werdenden Vorkommen dürften die fossilen Energien mit der Zeit sogar eher noch teurer werden.

Was kostet uns die Energie während der "Wende"?
Die Investitionen für eine CO2-neutrale Energieversorgung müssen wir zusätzlich zu den bestehenden Ausgaben für die bisherige fossile Versorgung aufbringen. Gleichmäßig verteilt auf 40 Jahre sind das knapp 40 Milliarden jährlich. Dabei werden wir aber Jahr für Jahr bereits die Einsparungen bei den fossilen Brennstoffen spüren. Nach 15 bis 20 Jahren ist dann der Punkt erreicht, an dem die Ausbaukosten für die erneuerbaren Energien plus die Beschaffungskosten für die restliche fossile Energie zusammen genommen unsere jetzigen Primärenergiekosten von 83 Milliarden Euro unterschreiten.

Wie schafft man diesen Übergang?
Durch eine Vorfinanzierung der Investitionen! Durch eine kluge Balance zwischen Investition und Tilgung kann man die zukünftigen Energiekosten genau kontrollieren. Die Energiewende sorgt also nicht nur dafür, dass wir in Zukunft deutlich geringere Energiekosten haben werden, sondern auch unabhängig von der Entwicklung des Preises für Öl und Gas auf den Weltmärkten werden.

Prof. Dr. Clemens Hoffmann ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel.

CONTRA - Prof. Dr. Manuel Frondel

Prof. Dr. Manuel Frondel (RWI) © Julica Bracht / RWI

Bringt uns die Energiewende wirklich mehr, als sie kostet? - Niemand wird diese Frage jemals mit Gewissheit beantworten können. Denn der Nutzen des massiven Umbaus unserer Energieversorgung ist sehr schwer zu quantifizieren. Dies gilt insbesondere für den Nutzen des Ausbaus der erneuerbaren Energien für den Klimaschutz.

Dennoch kann man Zweifel hegen an der These, dass der Nutzen die Kosten der Energiewende übersteigt. Findet die Vorreiterrolle, die Deutschland mit der Energiewende nachdrücklich eingenommen hat, keine weitgehende Nachahmung in der Welt, ist es um den Nutzen für das Klima schlecht bestellt. Nach Einschätzung der Expertenkommission Forschung und Innovation sind auch die Innovationswirkungen unserer Förderung von erneuerbaren Energien sehr überschaubar.

Im Gegensatz zum Nutzen sind die Kosten der Energiewende relativ leicht zu quantifizieren und bereits heute deutlich spürbar. Beim rasanten Ausbau der Erneuerbaren mithilfe des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wurde bisher kaum Wert auf Kosteneffizienz gelegt. Herausragendes Negativbeispiel ist die übermäßige Förderung von Solarstrom im relativ sonnenarmen Deutschland. Der in den Jahren 2000 bis 2013 erfolgte Ausbau der Photovoltaik hat den Stromverbrauchern nach unseren Berechnungen reale Zahlungsverpflichtungen in Höhe von rund 111 Milliarden Euro aufgebürdet – der Wert des erzeugten Solarstroms, bemessen in Börsenpreisen, ist hierbei bereits ebenso abgezogen wie die darin enthaltenen Kostenersparnisse für die vermiedenen Importe fossiler Energieträger.

Die Marktferne des EEG sorgt für weitere Ineffizienzen. So wird immer mehr grüner Strom produziert, der aufgrund mangelnder Netzkapazitäten und schwankender Nachfrage immer öfter keine Abnehmer findet. In diesen Überschusssituationen wird der Strom oftmals für wenig Geld oder sogar gegen eine Gebühr – bei negativen Preisen an der Strombörse – ins Ausland entsorgt. Dadurch wird nicht nur die Energiewende erheblich verteuert. Wesentliche Stützpfeiler unserer Wohlfahrt, wie Netzstabilität und Versorgungssicherheit, geraten so immer mehr ins Wanken, solange der Netzausbau − auch über Grenzen hinweg − weiterhin nur schleppend vorankommt.

Prof. Dr. Manuel Frondel leitet den Kompetenzbereich „Umwelt und Ressourcen“ am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen und ist Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum.

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